Göttingen (epd). Wissenschaftler haben harsche Kritik an der Flüchtlingspolitik der Europäischen Union geübt. "Wir sehen, dass die seit 2015 forciert eingeschlagene Politik der EU und ihrer Mitgliedsländer, die Grenzen gegenüber Fluchtmigranten dichtzumachen, mit dem Leben der Flüchtenden spielt", sagte die Göttinger Migrationsforscherin Sabine Hess am Freitag. "Mehr noch, sie widerspricht den Schutzgeboten, wie sie die internationale Flüchtlingskonvention oder die europäische Menschenrechtscharta vorsehen."
Hess ist Leiterin eines von der Universität Göttingen koordinierten Forschungsprojektes der EU, das die Erfahrungen von Flüchtlingen auf der sogenannten Balkanroute dokumentiert. Dazu haben die Wissenschaftler mehr als 500 Geflüchtete befragt. Ein nun vorgelegter Bericht beschreibt die Risiken, die verschiedenen Formen von Gewalt, Entbehrungen und Leid, mit denen die Flüchtlinge zwischen 2013 und 2018 auf ihrem Weg nach Europa konfrontiert waren.
"Der Bericht zeigt sehr klar, dass es eine direkte Korrelation zwischen dem Ausmaß an lebensbedrohlichen Risiken und Menschenrechtsverstößen an den Grenzen sowie den Migrations- und Grenzpolitiken der EU gibt", sagte Hess. Ko-Autor Vasileios Petrogiannis von der Universität Uppsala in Schweden betonte: "Zurückblickend lässt sich sagen, dass 2015 einen der wenigen historischen Momente in der europäischen Geschichte darstellt, in dem Staaten versucht haben, einen humanitären Fluchtkorridor zu errichten.”