Burkhardt: Tod von Alan Kurdi erschütterte nur kurz

Burkhardt: Tod von Alan Kurdi erschütterte nur kurz
Pro-Asyl-Geschäftsführer begrüßt Engagement der EKD bei Seenotrettung
30.08.2020
epd
epd-Gespräch: Dieter Schneberger

Frankfurt a.M. (epd). Vor fünf Jahren, am 2. September 2015, wurde der Leichnam des syrischen Flüchtlingsjungen Alan Kurdi an den Strand von Bodrum gespült. Der Zweijährige war auf der Überfahrt von der Türkei zur griechischen Insel Kos zusammen mit seiner Mutter und seinem fünfjährigen Bruder in einem Boot gekentert und ertrunken. Das Foto des Jungen ging um die Welt und lenkte den Blick auf das massenhafte Sterben im Mittelmeer. Die Trauer und die Erschütterung darüber habe aber nicht lange angehalten, sagte der Geschäftsführer der Flüchtlingsorganisation Pro Asyl, Günter Burkhardt, in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Bereits wenige Wochen nach dem gewaltsamen Tod des Jungen hätten die politischen Bemühungen in Deutschland darauf abgezielt, syrischen Flüchtlingen den Flüchtlingsstatus zu verweigern und den Familiennachzug zu beschränken, sagte Burkhardt. Daraufhin hätten sich in der Türkei vermehrt Frauen, Kinder und Kleinkinder in seeuntaugliche Boote gesetzt, um über das Meer nach Griechenland und weiter in die EU zu flüchten. Der Anteil der Minderjährigen bei der Ankunft in Griechenland sei laut UN-Flüchtlingshilfswerk von 16 Prozent im Juni auf 28 Prozent im November 2015 gestiegen. Viele Kinder seien allerdings wie der kleine Alan ertrunken oder wegen Unterkühlung gestorben.

Eine weitere Dramatisierung der Lage für Flüchtlinge habe das EU-Türkei-Abkommen vom März 2016 gebracht, sagte Burkhardt. Infolge des Deals mit der EU habe die Türkei die Visa-Regularien für Syrer verschärft, Grenzübergänge geschlossen und mit dem Bau einer Mauer an der Grenze zu Syrien begonnen. Flüchtlingsboote würden vorm Ablegen gehindert oder von Schiffen in türkische Gewässer zurückgeschleppt. "Der EU-Türkei-Deal führt zu einem eklatanten Bruch des Völkerrechts", kritisierte Burkhardt. "Das ist beschämend und darf so nicht bleiben."

Schließlich habe 2019 die völkerrechtswidrige türkische Militäroffensive in Nordsyrien noch mehr Menschen ihrer Heimat beraubt und in die Flucht getrieben, fügte Burkhardt hinzu. Der Plan von Präsident Recep Tayyip Erdogan, dort syrische Flüchtlinge in einer "Sicherheitszone" anzusiedeln", finde sich bereits im Türkei-EU-Deal von 2016. Europa toleriere, wie Menschenrechte verletzt werden. Entsprechend habe die Politik das Thema "weggedrückt".

Er befürchte, dass sich auch unter der derzeitigen deutschen EU-Präsidentschaft nicht viel an der Abschottungspolitik ändere, sagte der Pro-Asyl-Geschäftsführer. Das griechische Elendslager Moria, wo rund 15.000 Menschen unter schlimmsten Bedingungen lebten, sei zu einem Sinnbild der gescheiterten EU-Politik geworden. Aktuell ignorierten im zentralen Mittelmeer Italien und Malta ihre Pflicht zur Seenotrettung. Die EU kooperiere mit Libyen und lasse Schutzsuchende in die Haft- und Folterlager nach Libyen zurückbringen. Das sei skandalös. Dabei sei die Rettung von Schiffbrüchigen eine staatliche Aufgabe.

Vor diesem Hintergrund begrüßte Burkhardt das Engagement der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), für die Mission der "Sea-Watch 4" Spenden bereitzustellen und damit Leben zu retten. "Ich persönlich hätte mir allerdings gewünscht, dass das Schiff unter kirchlicher Flagge segeln würde und dass für dessen Finanzierung auch Kirchensteuermittel eingesetzt worden wären." Die "Sea-Watch 4" wird von der gleichnamigen zivilen Seenotrettungsorganisation und "Ärzte ohne Grenzen" betrieben. Auftraggeber ist das Bündnis "United4Rescue".