Das deutsche Rettungsschiff "Sea-Watch 4" kreuzt seit Freitag vor der libyschen Küste, um Flüchtlingen und Migranten in Seenot zu helfen. "In alle Richtungen schauen wir mit unseren Ferngläsern", sagte Einsatzleiter Philipp Hahn an Bord dem Evangelischen Pressedienst (epd). Zudem sei man im Kontakt mit Behörden, der sich allerdings schwierig gestalte.
Am frühen Freitagmorgen habe die Crew über eine private Notfall-Hotline Hinweise auf zwei mögliche Seenotfälle südlich von Lampedusa bekommen, aber nur ein verlassenes, halb zerstörtes Schlauchboot mit Müll und Rettungswesten entdeckt. Man hoffe, dass die Menschen gerettet wurden, denn die italienische Küstenwache habe Migranten von zwei Booten nach Lampedusa gebracht. Doch das sei ungewiss. "Wir wissen nicht, was mit den Leuten passiert ist", sagte Sea-Watch-Sprecher Chris Gordotzki.
Seibert: Seenotrettung ist ein "edles ZIel"
Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums sagte in Berlin, Deutschland sei grundsätzlich immer bereit, im europäischen Kontext zu helfen und aus Seenot gerettete Migranten auch aufzunehmen. Das betreffe auch Menschen, die von dem neuen Schiff gerettet werden.
Regierungssprecher Steffen Seibert bezeichnete die Rettung von Menschen in Seenot als "edles Ziel". Die Grundhaltung der Bundesregierung sei, dass es aber besser wäre, kriminelle Schlepper würden Menschen gar nicht erst in Seenot bringen. Daher verfolge die Bundesregierung die Politik, Ursachen und Strukturen des Menschenhandels in den Blick zu nehmen. Deutschland bemühe sich deswegen um die Stabilisierung von Staaten und um Vereinbarungen mit Staaten.
Die "Sea-Watch 4" patrouilliert etwa 30 Seemeilen nördlich der Küste in der libyschen Such- und Rettungszone. Das Schiff wurde überwiegend aus kirchlichen Spenden finanziert. Anfang der Woche waren vor der Küste Libyens mindestens 45 Menschen ums Leben gekommen. Es handelt sich um das schlimmste Unglück mit Bootsflüchtlingen, das in diesem Jahr bislang bekannt wurde.
Festsitzende Migranten wählen den Seeweg
Viele Migranten und Flüchtlinge sind im Bürgerkriegsland Libyen gestrandet und versuchen von dort aus, über das Mittelmeer Europa zu erreichen. Wenn sie von der libyschen Küstenwache abgefangen und zurückgebracht werden, werden sie oft misshandelt, von Kriminellen verschleppt und unter unmenschlichen Bedingungen in Internierungslager gesteckt.
Mehr als 6.000 Bootsflüchtlinge wurden nach UN-Angaben in diesem Jahr bereits nach Libyen zurückgebracht. Die Vereinten Nationen betonen, dass Libyen kein sicherer Hafen für Flüchtlinge sei. An die EU wird appelliert, staatliche Rettungseinsätze zu starten und gerettete Migranten von privaten Schiffen zügig aufzunehmen.
Die "Sea-Watch 4" war am Samstag vom spanischen Hafen Burriana ausgelaufen. Ursprünglich hätte der Einsatz schon im April beginnen sollen, hatte sich aber wegen der Corona-Pandemie verzögert. Das ehemalige Forschungsschiff wird von der Organisation Sea-Watch und "Ärzte ohne Grenzen" betrieben. Finanziert wurde das Schiff von dem Bündnis "United4Rescue", das maßgeblich von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) initiiert wurde.