Berlin (epd). Die ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Margot Käßmann, kritisiert den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan wegen der Umwandlung der Hagia Sophia in Istanbul in eine Moschee. Damit zerstöre Erdogan "ein Symbol für das friedliche Miteinander von Christentum und Islam", schrieb Käßmann in einem Gastbeitrag für die Zeitung "Bild am Sonntag".
"Die taktischen Politikspiele eines Präsidenten, der konservative Muslime beeindrucken will, sind erbärmlich", betonte die Theologin. "Nach 85 Jahren wird die Hagia Sophia dazu missbraucht, Macht zu demonstrieren und Zwietracht zu säen. Erdogan spricht von einer 'Auferstehung'. Das ist eine gezielte Provokation."
Käßmann fügte hinzu: "Sophia ist der griechische Begriff für Weisheit. Davon hat Herr Erdogan offensichtlich nicht viel. Denn ein weiser Staatsführer würde versöhnen und nicht spalten wollen." Sie äußerte die Befürchtung, das Weltkulturerbe Hagia Sophia werde zum Symbol für Ausgrenzung.
"Touristinnen im Sommerkleid dürfen sich dort sicher bald nicht mehr blicken lassen", vermutet Käßmann. "Und die so wunderbar restaurierten christlichen Kunstwerke werden wieder übermalt oder abgehängt werden. Was für ein Trauerspiel!".
Die Hagia Sophia wurde im 6. Jahrhundert erbaut und war Hauptkirche des byzantinischen Reichs. 1453 wurde sie nach der osmanischen Eroberung zur Moschee. 1935 wandelte Präsident Mustafa Kemal Atatürk die Hagia Sophia in ein Museum um, das zuletzt pro Jahr fast vier Millionen Besucher und Besucherinnen anzog.
epd et