Wiesbaden, Berlin (epd). Drei Tage nach dem Rücktritt des hessischen Polizeipräsidenten Udo Münch hat Innenminister Peter Beuth (CDU) am Freitag Roland Ullmann (62) als Nachfolger vorgestellt. Der bisherige Präsident des Polizeipräsidiums Südost in Offenbach nannte die Aufklärung der Affäre um Drohmails an prominente Frauen seine höchste Priorität. Zugleich stellten Beuth und Ullmann in Wiesbaden einen neuen Maßnahmenkatalog dazu vor.
Münch hatte mit seinem Rücktritt am Dienstag die Verantwortung für Informationspannen übernommen. So hatte Beuth nach eigenen Angaben erst am Mittwoch vergangener Woche erfahren, dass persönliche Informationen über die hessische Linken-Fraktionsvorsitzende Janine Wissler aus einem Wiesbadener Polizeicomputer abgerufen worden waren. Die Politikerin hatte kurz darauf mit "NSU 2.0" gezeichnete Mails mit Todesdrohungen bekommen, wie sie vor zwei Jahren bereits erstmals an die Frankfurter Rechtsanwältin Seda Basay-Yildiz verschickt worden waren.
Inzwischen gingen derartige Drohmails auch an andere Linken-Politikerinnen, Journalistinnen und die Berliner Kabarettistin Idil Baydar. Auch bei Basay-Yildiz und Baydar waren zuvor persönliche Daten aus Polizeicomputern in Frankfurt und Wiesbaden abgerufen worden.
Beuth und Ullmann berichteten, dass bereits erste Maßnahmen umgesetzt werden, um eine unberechtigte Abfrage persönlicher Daten zu erschweren. Dazu zählen ein neuer persönlicher Sicherheitscode für den Zugang in das Computersystem, zu dessen Geheimhaltung jeder Beamte sich verpflichten muss. Die Passwörter würden alle drei Wochen zurückgesetzt, der Bildschirm werde bei Nichtnutzung nach drei Minuten gesperrt. Bei Personen des öffentlichen Lebens müsse zudem der Vorgesetzte eingeschaltet werden. Mittel- bis langfristig sollen auch biometrische Merkmale wie der Fingerabdruck Voraussetzung für solche Abfragen sein.
Geprüft wird auch eine Bundesratsinitiative zur Strafverschärfung bei Bedrohungen. Weiter ist die Einsetzung einer unabhängigen Expertenkommission geplant, die ein neues Leitbild der hessischen Polizei erarbeiten und deren Strukturen überprüfen soll.
Der neue Landespolizeipräsident Ullmann hat sich bereits mit dem zur Aufklärung der Affäre eingesetzten Sonderermittler Hanspeter Mener getroffen und ihm jedwede - auch personelle - Unterstützung zugesichert. Er erhoffe sich von ihm einen neuen Blick und sei optimistisch, dass der oder die Urheber der Drohmails ausfindig gemacht würden. Dafür und für die Wiederherstellung des Vertrauens in die Polizei wolle er alles Erforderliche tun.
Die Opposition reagierte skeptisch. Der neue Mann im Ministerium werde mit den alten Problemen zu kämpfen haben, sagte Günter Rudolph von der SPD. "Wenn der Innenminister glaubt, mit dem Austausch an der Spitze der Polizei sei ihm ein Befreiungsschlag gelungen, irrt er", kommentierte der Linke Ulrich Wilken. Und Stefan Müller von der FDP sagte, der neue Maßnahmenkatalog sei das Papier nicht wert, auf dem er geschrieben wurde.
Wegen der ersten Drohnachricht an einen Mann ermittelt unterdessen die Staatsanwaltschaft Bonn. Gemeinsam mit dem Staatsschutz prüfe die Staatsanwaltschaft eine Nachricht, die der Siegburger NSU-Opferanwalt Mehmet Daimagüler erhalten haben soll. Das Dokument liege der Staatsanwaltschaft noch nicht vor, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft dem epd am Freitag. Der Anwalt selbst habe bislang keine Anzeige erstattet. Die Ermittler hätten die regionale Berichterstattung über das Drohschreiben zum Anlass genommen, von Amtswegen zu ermitteln.