Berlin, Istanbul (epd). Im Prozess gegen die als "Istanbul 10" bekanntgewordenen Menschenrechtler sind am Freitag in der Türkei die Urteile gefallen. Während der Berliner Menschenrechtstrainer Peter Steudtner und fünf Mitangeklagte von Terrorismus-Vorwürfen freigesprochen wurden, erhielten mehrere türkische Amnesty-Aktivisten Haftstrafen. Vertreter von Amnesty International sprachen nach der Urteilsverkündung von einem absurden Verfahren und forderten eine internationale Reaktion auf die nach ihrer Überzeugung skandalösen Urteile.
Wie die Menschenrechtsorganisation am Freitagnachmittag in Berlin mitteilte, wurde der Ehrenvorsitzende von Amnesty in der Türkei, Taner Kilic, zu sechs Jahren und drei Monaten Haft wegen "Mitgliedschaft in einer Terrororganisation" verurteilt. Die ehemalige türkische Amnesty-Direktorin Idil Eser sowie die langjährigen Amnesty-Mitglieder Özlem Dalkiran und Günal Kursun wurden zu einem Jahr und 13 Monaten Haft wegen der "wissentlichen und bereitwilligen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung" verurteilt. Die Anwältinnen und Anwälte legten Berufung gegen das Urteil ein, erklärte Amnesty. Steudtner und fünf Mitangeklagte wurden von den Vorwürfen freigesprochen.
Die Menschenrechtsverteidiger waren im Sommer 2017 festgenommen worden, im Oktober 2017 begann der international beachtete Prozess. Acht der Angeklagten, darunter Idil Eser und Steudtner, saßen fast vier Monate in Haft und wurden laut Amnesty erst im Oktober 2017 entlassen. Taner Kilic wurde den Angaben zufolge im August 2018 nach mehr als 400 Tagen aus der Untersuchungshaft entlassen.
Der Generalsekretär von Amnesty International in Deutschland, Markus N. Beeko, nannte die Urteile gegen vier Menschenrechtler in einer Online-Pressekonferenz am Freitagnachmittag eine "schlechte Nachricht für die Menschenrechte". Wer auf eine Rückkehr der Türkei zu Rechtsstaatlichkeit gehofft habe, erlebe nun einen "Tabubruch". Beeko sprach von einem "absurden Verfahren", in dessen Verlauf die Terrorismusvorwürfe widerlegt worden seien.
Menschenrechtsaktivisten würden in der Türkei bedroht und eingeschüchtert, schlussfolgerte der Amnesty-Generalsekretär. Er forderte eine internationale Reaktion und internationalen Druck auf die Türkei. Auch die Bundesregierung müsse eine klare Linie zeigen und auf die Freilassung der Amnesty-Vertreter dringen.
Der Berliner Menschenrechtstrainer Steudtner zeigte sich trotz des eigenen Freispruchs "bestürzt" von dem Urteil. Die türkische Justiz habe damit die Chance verpasst, Rechtsstaatlichkeit walten zu lassen. Stattdessen seien "absurde Urteile" gefällt worden. Arbeit für die Menschenrechte sei in der Türkei offensichtlich nicht geschützt. Zugleich versicherte Steudtner: "Wir werden uns nicht teilen lassen." Der Kampf um Menschenrechte und die Freilassung der Verurteilten gehe weiter.