Frankfurt a.M. (epd). Im Prozess um den Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke hat der Hauptangeklagte Stephan E. in einer dritten auf Video aufgezeichneten Vernehmung seine Vorwürfe gegen den Mitangeklagten Markus H. bekräftigt. In dem am Donnerstag im Oberlandesgericht Frankfurt am Main am vierten Verhandlungstag gezeigten Video wiederholte E. die Darstellung seines zweiten Geständnisses, dass nicht er, sondern H. den Politiker erschossen habe. An dieser Darstellung äußerte der vernehmende Beamte vom hessischen Landeskriminalamt deutliche Zweifel. Das hatte bei der Aussage des zweiten Geständnisses zuvor schon der Ermittlungsrichter getan.
Der Vorsitzende Richter Thomas Sagebiel nannte die Termine, an denen sich der Angeklagte E. im Prozess äußern werde. Für dessen Aussagen und Rückfragen dazu habe das Gericht nach der dreiwöchigen Sommerpause den 30. Juli sowie den 5. und den 8. August vorgesehen. Das sei mit der Verteidigung von E. abgesprochen. In den drei Verhandlungstagen danach sollen rund zehn Kriminalbeamte als Zeugen gehört werden.
Im ersten Geständnis hatte E. zehn Tage nach seiner Festnahme erklärt, er habe Lübcke in der Nacht zum 2. Juni 2019 auf der Terrasse von dessen Haus in Wolfhagen-Istha bei Kassel erschossen und sei dabei allein gewesen. Rund sechs Monate später, nachdem er Frank Hannig als neuen Anwalt engagiert hatte, sagte E. hingegen aus, dass der Mitangeklagte Markus H. den Kasseler Regierungspräsidenten versehentlich erschossen habe, als E. und H. den Politiker auf der Terrasse hätten einschüchtern wollen.
Die Bundesanwaltschaft folgt der ersten Version der Geständnisse: Sie hat E. wegen Mordes angeklagt, H. wegen Beihilfe zum Mord. Beide sollen nach Auffassung der Anklage aus rechtsradikaler, fremdenfeindlicher Gesinnung gehandelt haben. Bis Ende Oktober hat das Gericht derzeit insgesamt 32 Verhandlungstage vorgesehen.
Während im Gericht die juristische Bewertung zu Lübckes Tod läuft, begann der Hessische Landtag mit der politischen Aufarbeitung: Am Dienstagabend konstituierte sich der Untersuchungsausschuss, der eventuelle Versäumnisse der Sicherheitsbehörden klären soll.