Kontroverse Debatte über EU-Klimaziele

Kontroverse Debatte über EU-Klimaziele
Gehören Wirtschaftsentwicklung und Klimaschutz zusammen, oder sind sie Gegenspieler? Über diese Frage wird wieder einmal gestritten. Umweltministerin Schulze ist für ehrgeizige Klimaziele, die Christdemokraten im EU-Parlament treten auf die Bremse.

Berlin (epd). Kurz vor Beginn der deutschen EU-Ratspräsidentschaft ist ein Streit über die EU-Klimaschutzziele entbrannt. Während Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) auf ehrgeizige Vorgaben setzt, wollen die Christdemokraten im Europaparlament Maßnahmen für ein klimaneutrales Europa von der Entwicklung der Wirtschaft abhängig machen. Für diese Haltung erntet die Europäische Volkspartei (EVP) heftige Kritik von SPD, Grünen und Kommunen. Für sie müssen Wirtschaftspolitik und Klimaschutz Hand in Hand gehen.

Schulze sprach sich in der Berliner "tageszeitung" (Montag) dafür aus, die EU-weiten Emissionen bis 2030 im Vergleich zu 1990 um 55 Prozent zu reduzieren. Bislang gilt ein Ziel von 40 Prozent, das die EU-Kommission auf 50 bis 55 Prozent erhöhen will. Außerdem will die Kommission Europa mit dem "Green Deal" bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent machen. Im Pariser Klimaabkommen von 2015 hatten sich die Unterzeichnerstaaten verpflichtet, ihre Ziele zur Minderung von Treibhausgasen in diesem Jahr noch einmal zu verschärfen.

Schulze setzt auf eine Verschärfung des bestehenden EU-Emissionshandels für Industrie und Energiewirtschaft, einen zusätzlichen CO2-Preis für Verkehr und Gebäude, schärfere EU-Richtlinien zu Energieeinsparung und Gebäudeeffizienz und niedrigere CO2-Grenzwerte für Autos und Lastwagen. Das geplante EU-Konjunkturprogramm müsse zudem daran gekoppelt werden, die Wirtschaft klimafreundlich umzubauen, sagte sie der "taz".

Dagegen würde EVP-Fraktionschef Manfred Weber den "Green Deal" gerne auf Eis legen, weil sich die europäische Wirtschaft Corona-bedingt im freien Fall befinde. "Wir müssen die Industrie stabilisieren, bevor wir sie in eine klimaneutrale Zukunft führen", sagte der CSU-Politiker den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Samstag). Zunächst müsse bewertet werden, welche neuen Auflagen die Wirtschaft verkraften könne, "erst danach sind neue Regelungen zum Klimaschutz denkbar".

Grünen-Chefin Annalena Baerbock kritisierte diese Haltung als unverantwortlich. "Es ist brandgefährlich, wenn wir mitten in einer Krise die Augen vor der nächsten Krise verschließen", sagte sie den Funke-Zeitungen (Online/Montag). Die Milliarden, die jetzt angesichts der Corona-Pandemie in Europa in die Hand genommen würden, müssten nachhaltig investiert werden: "Sie müssen die Wirtschaft klimaneutral umbauen, damit Arbeitsplätze krisensicher und zukunftsfest bleiben."

Auch der SPD-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans betonte, "zurück in die alte Spur" sei weder für die Wettbewerbsfähigkeit Europas noch für den weltweiten Klimaschutz ein Rezept für die Zukunft. Die wirtschaftlichen Herausforderungen der Corona-Krise müssten als Chance für massive Investitionen in zukunftssichernde Infrastrukturen und einen entschlossenen technologischen Aufholprozess begriffen werden, sagte er den Funke-Blättern.

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund warnte ebenfalls davor, die Klimaschutz-Anstrengungen zurückzustellen. "Der jetzt einsetzende Reform- und Umstrukturierungsprozess der Wirtschaft muss genutzt werden, um mehr Nachhaltigkeit und mehr Klimaschutz in den Unternehmensstrategien umzusetzen", sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg den Zeitungen. "Das ist genau das, was die deutliche Mehrheit der Menschen erwartet."

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte am Donnerstag bekräftigt, dass der Klimaschutz im Mittelpunkt der sechsmonatigen deutschen EU-Ratspräsidentschaft stehen werde, die am 1. Juli beginnt. Auch in ihrem wöchentlichen Video-Podcast nannte sie am Samstag den Klimaschutz als ein zentrales Thema.