Vertreter der evangelischen und der katholischen Kirche haben an Pfingsten zu Dialog, Gemeinsinn und Zusammenhalt in der Corona-Krise aufgerufen. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm wies in seiner Predigt am Sonntag in München auf die Notwendigkeit der Zusammenarbeit auf nationaler, europäischer und globaler Ebene hin. Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, rief die Kirche auf, sich mehr zu öffnen und sich den Menschen zuzuwenden.
In Rom hielt Papst Franziskus sein Mittagsgebet erstmals seit Beginn der Corona-Pandemie wieder mit Pilgern auf dem Petersplatz ab. Den Pfingstgottesdienst im Petersdom feierte er mit 50 weit auseinander platzierten Gläubigen. In seiner Predigt erinnerte er an die einheitsstiftende Botschaft des Pfingstfests. Beim anschließenden Gebet, das er vom Fenster des Apostolischen Palastes aus sprach, erinnerte er an Indigene im Amazonas-Gebiet, die dem Coronavirus besonders schutzlos ausgeliefert seien. Der Petersplatz ist seit dem 18. Mai wieder für Besucher geöffnet.
Mindestabstand, Mundschutz, Registrierung
Auch die Pfingstgottesdienste von Protestanten und Katholiken in Deutschland fanden unter strengen Hygieneauflagen statt. In den Kirchen mussten Besucher den Mindestabstand einhalten, einen Mund-Nasen-Schutz tragen und sich namentlich registrieren. In der Münchner Matthäuskirche, in der der bayerische Landesbischof Bedford-Strohm predigte, fanden nicht wie sonst rund 1.000 Menschen, sondern nur 120 Platz. Bischof Bätzing feierte den Gottesdienst im Limburger Dom mit 70 Gläubigen.
Bedford-Strohm forderte mit Blick auf ein zunehmend gereiztes gesellschaftliches Klima dazu auf, anderen Menschen wirklich zuzuhören. Es sei zwar richtig gewesen, scharf zu reagieren auf Demonstranten, die bewusst und provokativ Abstandsregeln missachteten. Aber es sei genauso richtig, hinzuhören, was sie zu sagen haben - "in der ganzen Unterschiedlichkeit zwischen gut begründetem kritischen Einspruch und verschwörungstheoretischer Verwirrtheit", sagte der Theologe.
"Seltsame Koalitionen" bei Demonstrationen
Bätzing verwies darauf, dass die Mehrheit der Bürger mit der zeitweisen Einschränkung der bürgerlichen Freiheiten im Zuge der Pandemie einverstanden gewesen sei. Die Wirkung der Maßnahmen zeige Erfolg. Allerdings gebe es auch "seltsame Koalitionen von völlig berechtigten Anliegen mit solchen von Esoterikern und Verschwörungstheoretikern, von rechten und linken Demonstranten", sagte der Limburger Bischof.
Kardinal Reinhard Marx rief zu einer respektvollen Kommunikation in der Corona-Krise auf. Man bekomme den Eindruck, "dass viele gar nicht mehr zuhören und verstehen wollen, sondern nur noch ihre Behauptungen und Positionen laut in die gesellschaftliche Debatte werfen", sagte der frühere Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz am Sonntag im Münchner Liebfrauendom.
Der hannoversche Landesbischof Ralf Meister wies auf die einigende Kraft des Pfingstfestes hin. Die in der biblischen Pfingstgeschichte geschilderte gemeinschaftliche Erfahrung erlebe zurzeit aber eine Bewährungsprobe, sagte der Theologe am Sonntag in der hannoverschen Marktkirche. "Wir versuchen in unseren Gemeinden, aber auch in der ganzen Gesellschaft, unter den Begriffen Solidarität oder Nachbarschaftshilfe eine Gemeinschaft zusammenzuhalten, die bedroht ist", sagte der Theologe.
Verbundenheit trotz Mindestabstand
Der pfälzische Kirchenpräsident Christian Schad sagte am Sonntag in der Speyerer Gedächtniskirche, gerade in der Corona-Krise könnten Menschen erfahren, dass sie trotz körperlichen Abstands miteinander verbunden seien. Der Essener katholische Bischof Franz-Josef Overbeck rief zur Solidarität in der Corona-Krise auf. "Wir Menschen können nur zusammen leben und auch nur zusammen überleben", sagte er am Sonntag im ZDF-Fernsehgottesdienst in Bensheim.
Für Christen gilt das Pfingstfest als "Geburtstag der Kirche", es ist das Fest des Heiligen Geistes. In der biblischen Geschichte sorgt Gottes heilige Geistkraft dafür, dass sich plötzlich Menschen unterschiedlicher Sprachen und Nationen ohne Hemmnisse verstehen.