Die evangelische Kirche muss künftig an Genehmigungen zur Sonn- und Feiertagsarbeit in sächsischen Call-Centern beteiligt werden. Zudem muss die zuständige sächsische Landesdirektion der Kirche Einsicht in alle bereits erteilten Genehmigungen gewähren, sofern diese noch wirksam sind. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig am Mittwoch entschieden. (AZ: BVerwG 8 C 5/19)
Diese Ansprüche der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens ergeben sich demnach aus Paragraf 13 des Verwaltungsverfahrensgesetzes. "Die Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes, die im Einzelfall Ausnahmen vom grundsätzlichen Beschäftigungsverbot an Sonn- und Feiertagen zulassen, sind gegenüber Religionsgemeinschaften drittschützend", erklärte das Gericht zur Begründung. Drittschutz bedeutet, dass eine Rechtsnorm neben dem Schutz des öffentlichen Interesses auch dem Schutz eines bestimmten Personenkreises dienen muss.
In der Konsequenz können sich Religionsgemeinschaften in diesem Fall laut Gericht daher auf die Religionsfreiheit in Artikel 4 des Grundgesetzes berufen. "Der darin liegende verfassungsrechtliche Schutzauftrag richtet sich nicht nur an den Gesetzgeber, sondern ist auch von den Behörden bei der Entscheidung über Ausnahmebewilligungen zu beachten", befanden die Leipziger Richterinnen und Richter. Grundsätzlich können damit auch andere Religionsgemeinschaften wie etwa die katholische Kirche ein entsprechendes Mitspracherecht einfordern.
Das Verfahren beruhte auf einem gesetzgeberischen Sonderweg Sachsens, wonach Call-Centern zur Genehmigung von Sonn- und Feiertagsarbeit jeweils Ausnahmebewilligungen auf Grundlage des Arbeitszeitgesetzes erteilt werden müssen. In allen anderen Bundesländern wird dies pauschal über eigens erlassene Verordnungen geregelt, wie der Anwalt der Landeskirche, Friedrich Kühn, erklärte.
Nach Einschätzung der Landeskirche waren 2016 rund 4.000 Call-Center-Beschäftigte von Sonn- und Feiertagsarbeit betroffen. Dies hatte sie zum Anlass genommen, bei der sächsischen Landesdirektion zu beantragen, an den Verfahren zur Bewilligung der Ausnahmegenehmigungen beteiligt zu werden. Die Landesdirektion lehnte ab. Als auch der folgende Widerspruch erfolglos blieb, zog die Landeskirche vor das Verwaltungsgericht Dresden, wo sie recht bekam. Im April 2019 bestätigte das Oberverwaltungsgericht Bautzen das Urteil, woraufhin der Freistaat die Revision durch das Bundesverwaltungsgericht beantragte.
Dieses hat die Revision nun zurückgewiesen. Der Senat habe das angegriffene Berufungsurteil des Oberverwaltungsgerichts "für revisionsrechtlich fehlerfrei gehalten", erklärte die Vorsitzende des 8. Revisionssenats. Die Kosten des Verfahrens hat demnach der Freistaat Sachsen zu tragen.