Berlin (epd). Der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration hat Deutschland und andere EU-Staaten angesichts der Corona-Pandemie zur Hilfe für Flüchtlinge auf den griechischen Inseln aufgefordert. Die Zustände dort seien "in hygienischer und medizinischer Sicht desaströs", angesichts der Pandemie drohe eine humanitäre Katastrophe, heißt es in einem am Dienstag vom Sachverständigenrat veröffentlichten Positionspapier. Die Vorsitzende Petra Bendel erklärte, die Lager müssten dringend evakuiert werden.
Das Vorhaben zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) drohe vollständig von der Pandemie überlagert zu werden, heißt es weiter im Papier. Dass die Mitgliedstaaten dafür sorgen, dass die Lage auf den griechischen Inseln nicht zur Katastrophe wird, sei aber ein "absolutes Minimum", drängen die Experten.
Sie schreiben, es müsse kurzfristig eine "Koalition der Willigen" geben, die sich darauf konzentriert Schutzsuchende auf andere EU-Staaten zu verteilen. Zudem schreiben sie, Griechenland müsse Vorgaben einhalten sowie Hilfe erhalten und annehmen, etwa durch Nahrungsmittel, technische Anlagen und medizinische Teams.
Auf EU-Ebene haben sich bislang acht Länder gefunden, darunter Deutschland, die bereit sind, mindestens 1.600 Minderjährige und andere besonders Schutzbedürftige von den griechischen Inseln aufzunehmen. Die vor mehr als zwei Wochen von den jeweiligen Innenministern getroffene Absprache ist bislang nicht umgesetzt. Die Bundesregierung betonte am Montag erneut, sie wolle dies "zeitnah" umsetzen, verwies aber auf die Zuständigkeit der EU-Kommission. Dort hieß es auf Anfrage, einen konkreten Zeitplan gebe es nicht, weil die Corona-Pandemie derzeit Priorität habe.
Die Sachverständigenrat-Vorsitzende Bendel forderte die Bundesregierung auf, mehr Flüchtlinge von den Inseln aufzunehmen als bislang zugesagt. Das Positionspapier kritisiert auch die Lage an der türkisch-griechischen Grenze, an der Asylverfahren derzeit ausgesetzt sind. Die Sachverständigen beschäftigen sich zudem mit der Reform des europäischen Asylsystems. Die aktuellen Krisen zeigten, wie nötig Änderungen seien. Es drohten ansonsten weitere Zuspitzungen, auf die die EU strukturell bislang nicht genügend vorbereitet sei.