Studie: Musikunterricht an Grundschulen bedroht

Studie: Musikunterricht an Grundschulen bedroht
Kulturrat: Kultusministerien müssen handeln
An Grundschulen wird Musikunterricht zur Hälfte von fachfremden Pädagogen erteilt. Der Deutsche Musikrat spricht von einem "Weckruf" und fordert die Länder zum Handeln auf, wenn sie musikalische Bildung nicht aufgeben wollen.

Gütersloh, Berlin (epd). Den Grundschulen könnten einer Studie zufolge bald die Musiklehrer ausgehen. In 14 untersuchten Bundesländern gebe es aktuell lediglich 17.000 Musiklehrer, der Bedarf liege jedoch bei 40.000, erklärte die Bertelsmann Stiftung am Mittwoch in Gütersloh. Lediglich 43 Prozent des vorgeschriebenen Unterrichts wird laut einer Untersuchung der Stiftung von ausgebildeten Pädagogen erteilt. Es sei davon auszugehen, dass die Hälfte des Musikunterrichts von fachfremden Lehrkräften erteilt wird und sieben Prozent des Unterrichts ausfallen. Lehrer- und Kulturverbände forderten Maßnahmen zur Gewinnung von mehr Musikpädagogen.

Beim Anteil des fachfremd erteilten Unterrichts gibt es laut der Studie zwischen den Ländern starke Schwankungen, die Spanne reicht von elf bis 73 Prozent. Im Westen Deutschlands wird demnach tendenziell öfter fachfremd unterrichtet als in Ostdeutschland. In den ersten vier Schuljahren hätten Kinder je nach Bundesland einen Anspruch auf eine oder auf zwei Musikstunden pro Woche.

So sieht die Stundentafel für die vierjährige Grundschulzeit in Nordrhein-Westfalen bis zu sechs Stunden Musikunterricht vor, davon werden laut Studie auch 5,8 Stunden unterrichtet. Nach Schätzung der Autoren werden dabei aber lediglich gut 28 Prozent des vorgesehenen Unterrichts von den 3.130 Musiklehrern erteilt. Fast 72 Prozent des Unterrichts werde demnach fachfremd erteilt.

Ohne Gegenmaßnahmen könne sich die Lücke von benötigten Musiklehrern in den kommenden acht Jahren auf 25.000 fehlende Pädagogen erhöhen, warnten die Autoren der Studie. Der Anteil des fachgerecht erteilten Musikunterrichts könne von 43 auf 39 Prozent fallen. Die Studienautoren empfehlen einen Ausbau der Studienplätze für Musiklehrer, eine Erhöhung des Unterrichtsstundenanteils von ausgebildeten Musiklehrern sowie als Übergangslösung die Gewinnung von Seiteneinsteigern. Außerdem sei ein deutschlandweites Monitoring unter dem Dach der Kultusministerkonferenz nötig.

"Das Ergebnis dieser Studie ist ein Weckruf", erklärte der Generalsekretär des Deutschen Musikrates, Christian Höppner. "Wenn Politik und Gesellschaft jetzt nicht handelten, sei die musikalische Bildung an Grundschulen bald Vergangenheit. Die Vorsitzende der Konferenz der Landesmusikräte, Ulrike Liedtke, betonte, musikalische Bildung brauche mehr gut ausgebildete Musiklehrer.

Der Deutsche Kulturrat erklärte, nun seien die Kultusministerien der Länder in der Pflicht. Schon lange sei zu beobachten gewesen, dass ein erheblicher Teil des Musikunterrichts fachfremd erteilt werde und immer mehr Musiklehrer fehlten. Nun lägen Zahlen vor. "Die Kultusministerien der Länder können den Missstand nun nicht mehr länger leugnen", erklärte der Geschäftsführer des Kulturrates, Olaf Zimmermann. "Jetzt muss endlich gehandelt werden."

Auch der Lehrerverband VBE forderte gezielte Maßnahmen, um mehr Musiklehrkräfte für den Lehrberuf an Schulen zu gewinnen. Es dürften nicht angesichts des Lehrkräftemangels an den Schulen vorrangig Fächer wie Kunst, Musik und Sport gestrichen werden, um den Unterricht in den Kernfächern aufrechtzuerhalten, warnte der Bundesvorsitzende des Verbandes, Udo Beckmann in Berlin.

"Musisch-ästhetische Bildung darf nicht kaputtgespart werden", warnte auch die Linkspartei. Nötig seien gut ausgebildete Lehrkräfte, erklärte die bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Birke Bull-Bischoff. "Mit dem Prinzip 'Kann ja jeder unterrichten' werden die betreffenden Fächer einfach nur abgewertet."

Für die Studie im Auftrag des Deutschen Musikrats wurden Daten aus 14 Bundesländern analysiert. Grundlage waren von den Ländern zur Verfügung gestellte Daten sowie Veröffentlichungen des Statistischen Bundesamts. Der überwiegende Teil bezog sich auf das Schuljahr 2016/2017. Aus Bayern und dem Saarland lagen noch keine Daten vor.