TV-Tipp: "Tatort: Die Nacht gehört dir"

Alter Fernseher vor einer Wand
Foto: Getty Images/iStockphoto/vicnt
TV-Tipp: "Tatort: Die Nacht gehört dir"
1.3., ARD, 20.15 Uhr
Die Filme mit dem Team aus Franken zeichneten sich bislang stets durch eine gewisse Besonderheit aus. Selbst wenn die jeweiligen Autoren und Regisseure ganz normale Krimigeschichten erzählten: Der Ansatz war meist anders als anderswo.

Die vor gut einem Jahr ausgestrahlte Episode "Ein Tag wie jeder andere" zum Beispiel war ein raffiniert konstruierter Rache-Thriller, der dank seiner originellen Handlung und einem ganz speziellen Farbenspiel zu den besten ARD-Sonntagskrimis 2019 gehörte. Diese Ehre wird "Die Nacht gehört dir" nicht zuteil werden, selbst wenn das erste Drittel an die Qualität der früheren Folgen anknüpft. Der letztjährige Film war von Erol Yesilkaya (Buch) und Sebastian Marka (Regie); die beiden stehen als Duo schon seit einigen Jahren für allerhöchste "Tatort"-Qualität. Beim neuen Krimi führt wieder Max Färberböck Regie; der Grimme-Preisträger (1994 für den ersten "Bella Block"-Film) ist gemeinsam mit Koautorin Catharina Schuchmann auch der Schöpfer des Nürnberger Teams. Die neue Geschichte des Duos wirkt allerdings wie ein Drehbuch auf Bestellung: "Schreibt doch mal was über die Einsamkeit erfolgreicher Geschäftsfrauen, die mit Hilfe von Dating-Portalen nach sexuellem Zeitvertreib suchen."

Der dynamische Auftakt weckt allerlei Erwartungen, weil verschiedene Ebenen nur kurz angerissen werden; das sorgt schon mal für Neugier. Auf den Prolog folgt ein reizvoller Wechsel des Vorzeichens, denn nun wandelt sich der Film vorübergehend zur Romanze: Voss (Fabian Hinrichs) kauft auf dem Markt ein Glas Honig. Das tut er offenbar mit derartiger Regelmäßigkeit, dass ihn die Marktfrau (Maja Beckmann) fragt, ob es ihm wirklich nur um den Honig gehe - oder doch womöglich und hoffentlich eher um sie? Der Flirt ist höchst sympathisch, zumal sich die sozialen Kontakte der TV-Ermittler zumeist auf die Kollegen beschränken; falls jemand ein Privatleben hat, ist es zumeist verkorkst. Doch dann wird’s ernst, denn selbstredend wird Voss mitten im Gespräch zu einem Tatort gerufen, weshalb Kollegin Ringelhahn (Dagmar Manzel) seine Schwärmerei für die Honigfrau auch etwas unpassend findet.

Das am Geburtstag mit einem Sushi-Messer erstochene Mordopfer – die Rede ist von "emotionaler Eskalation" – ist eine alleinstehende Frau von Anfang vierzig, die auf hoher Ebene für einen Immobilienkonzern gearbeitet hat. Sie war offenbar allseits beliebt, wie ihr Chef (Götz Schubert) versichert, hat aber Berufliches und Privates konsequent getrennt. Voss’ Team findet heraus, dass die Dame recht umtriebig auf verschiedenen Dating-Portalen unterwegs war. Die Beziehungen waren intensiv, aber nie von Dauer, wie eine ihrer Bekanntschaften (Max Hopp) betrübt berichtet. Die Tatwaffe ist noch ganz neu; ein Geburtstagsgeschenk vielleicht? Tatsächlich stellt sich raus, dass eine Kollegin (Anja Schneider) die Käuferin war, und als die Frau auch den Mord gesteht, scheint der Fall gelöst; da ist der Film aber noch lange nicht vorbei.

Die Präsentation eines vermeintlichen Täters (oder einer Täterin) ist ein beliebtes Krimimuster, und meist ist es allein dem Gespür der Ermittler zu verdanken, dass sie sich nicht mit der erstbesten Lösung zufrieden geben. In diesem Fall kommt hinzu, dass die angebliche Mörderin keinerlei Motiv hätte; und das ist eines der Probleme dieses Films. Das zweite ist die Tatsache, dass im ersten Drittel deutlich mehr passiert als in den restlichen sechzig Minuten, und weil der Krimi schließlich auch deutlich an Dynamik einbüßt, zieht sich die zweite Hälfte ziemlich. Spannend ist die Geschichte ohnehin nicht, zumal Färberböck und Schuchmann einen weiteren Verdächtigen recht unvermittelt einführen: Die Geschäftsfrau hat ihre Dating-Aktivitäten vor einem halben Jahr abrupt eingestellt und einen Klavierstimmer bestellt, obwohl sie selbst gar nicht spielt (warum sie trotzdem ein Klavier besitzt, fragen die Ermittler nicht)

Tatsächlich ist damals ein Pianist in ihr Leben getreten, womit das Drehbuch bei seinem zweiten Thema ist: Der junge Anton (Lukas B. Amberger) ist gerade mal gut halb so alt wie seine ermordete Freundin. Damit hat der Film sein Pulver verschossen. Als einzige interessante Frage bleibt nur noch, warum die Kollegin einen Mord gesteht, den sie nicht begangen hat, aber eine schlüssige Antwort gibt es nicht. Wenn "Die Nacht gehört dir" trotzdem keine Zeitverschwendung ist, dann vor allem wegen Fabian Hinrichs und Dagmar Manzel, die sich erneut als vortreffliche Kombination erweisen, zumal sich der Altersunterschied zwischen Mordopfer und jungem Geliebten auch auf der Ebene des Ermittlerduos spiegelt.