Karlsruhe (epd). Das Bundesverfassungsgericht will an diesem Mittwoch sein Urteil über die Rechtmäßigkeit des seit 2015 geltenden Verbots organisierter Hilfe beim Suizid verkünden. Schwer erkrankte Menschen, Sterbehilfe-Vereine und Ärzte haben vor dem höchsten deutschen Gericht gegen den Strafrechtsparagrafen 217 geklagt, weil sie ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht oder ihre Berufsfreiheit verletzt sehen. Der Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, Peter Dabrock, geht nach eigenen Worten von einer Aufhebung des Paragrafen aus, appelliert aber, den Sinn des Verbots beizubehalten. Eine Mehrheit der Deutschen ist einer Umfrage zufolge gegen das Verbot.
Das Bundesverfassungsgericht prüft, ob das gesetzliche Verbot der organisierten Hilfe beim Suizid in seiner geltenden Fassung weiter Bestand haben kann (AZ: 2 BvR 2347/15 und weitere). Paragraf 217 stellt seit Dezember 2015 die "geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung" unter Strafe. Verstöße werden mit einer Geldstrafe oder einer bis zu dreijährigen Haftstrafe geahndet.
Bei der Suizidassistenz werden einem Todkranken beispielsweise tödliche Medikamente überlassen, aber nicht verabreicht, weil das als Tötung auf Verlangen strafbar wäre. Die Hilfe bei der Selbsttötung im Einzelfall ist nicht strafbar. Mit dem Verbot der sogenannten geschäftsmäßigen Beihilfe wollte der Gesetzgeber aber verhindern, dass sie als Form organisierter Sterbehilfe angeboten wird. Dem Verbot ging 2015 eine kontroverse Debatte im Bundestag voraus.
Dabrock appellierte am Dienstag vor dem erwarteten Urteilsspruch, Sterbehilfe nicht als Normalfall zuzulassen. Die Prozessführung gebe Anlass für die Erwartung, dass das Bundesverfassungsgericht den Strafrechtsparagrafen 217 aufheben wird, sagte der Sozialethiker dem epd. Man werde dann versuchen müssen, den Sinn des Paragrafen zu wahren und gleichzeitig die Vorgaben des Gerichts zu achten.
Dabrock sagte, jeder solle in Würde sterben dürfen. "Das darf aber nicht dazu führen, dass sich Menschen fragen müssen: 'Darf ich noch da sein?'", ergänzte er. Der evangelische Theologe plädierte für eine Kultur des Lebens und Sterbens, in der gelte, dass Suizid keine "Normaloption" des Sterbens sei.
Zudem plädierte er für eine Änderung der Musterberufsordnung für Ärzte. Konkret schlug Dabrock eine Formulierung vor, "die sich darauf beschränkt, dass Suizidassistenz keine ärztliche Aufgabe ist". Nach seiner Einschätzung wäre dies ein Mittel gegen Ärzte, die sich Sterbehilfevereinen verschrieben haben, "ohne über jeden Einzelfall ein Verbotsurteil aussprechen zu müssen". "Ärzte in Ausnahmesituationen hätten Rechtssicherheit", sagte Dabrock.
Der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin, Lukas Radbruch, erhofft sich nach eigenen Worten vom Urteil des Bundesverfassungsgericht eine Klarstellung zum rechtlichen Spielraum von Ärzten. Er beklagte, viele Menschen wüssten nicht, welche Möglichkeiten sie bereits jetzt hätten. "Wir brauchen deshalb mehr Informationen über die bestehenden Möglichkeiten, keine offene Tür für geschäftsmäßige Beihilfe zum Suizid", sagte er und betonte gleichzeitig, die Mitwirkung am Suizid gehöre nicht zu den ärztlichen Aufgaben.
Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts infratest dimap im Auftrag des ARD-Magazins "Report Mainz" befürworten vier von fünf Deutschen, Ärzten Suizidassistenz bei Schwerstkranken zu erlauben. Mehr als zwei Drittel (67 Prozent) lehnen demnach den Strafrechtsparagrafen 217 ab.
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