Mit Blick auf den Anschlag in Halle vom 9. Oktober sagte Kramer dem Evangelischen Pressedienst (epd): "Als Kirche müssen wir uns vor unsere jüdischen Geschwister stellen." Gottesdienste dürften nicht durch Waffengewalt bedroht werden. Nach dem Anschlag in Halle hatten die Kirchen im Land zu Menschenketten vor Synagogen aufgerufen. In Halle hatten sich daraufhin, zwei Tage nach der Tat, rund 2.000 Menschen schützend, mit Kerzen und gesungenen Gebeten, vor die Synagoge in der Humboldtstraße gestellt.
Kramer sagte: "Diese Tat hat die ganze Stadt paralysiert." Die Bedrohung durch rechtsextreme Netzwerke könne niemandem egal sein: "Das bedroht uns als Gesellschaft." Der Bischof sagte, die Kirche sei in der Lage, Worte zu finden und sie sei eine wichtige Stimme: "Wir dürfen nicht verstummen." Es sei wichtig, in der Gesellschaft zusammenzuhalten.
"Wir dürfen nicht denken, das geht an uns vorbei"
"Antisemitismus ist eine sehr tief verwurzelte, mit unterschiedlichen Strängen sich befeuernde Denkhaltung", sagte Kramer. Wichtig sei auch Selbstaufklärung, die jeder Mensch leisten müsse. "Wir dürfen nicht denken, das geht an uns vorbei und antisemitisch seien nur die anderen. Vielmehr geht es darum nüchtern zu schauen, wo ich selbst in meinen Gedanken und Meinungen mit dem breiten Band antisemitischen Denkens in unserer Kultur verbunden bin. Wenn antisemitische Ideen geäußert werden, dürfen wir nicht schweigen", mahnte der Bischof.
Bei dem antisemitisch und rechtsextremistisch motivierten Anschlag am 9. Oktober in Halle waren eine 40-jährige Frau und ein 20-jähriger Mann erschossen worden. Auf der Flucht verletzte der Täter zwei weitere Menschen schwer. Zuvor hatte der schwer bewaffnete Mann vergeblich versucht, in die Synagoge der Stadt einzudringen. Er scheiterte an der geschlossenen Tür. Zum höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur hatten sich dort zu diesem Zeitpunkt insgesamt 51 Gläubige versammelt.