Diese Worte aber schreit ein verzweifelter Vater. Sein Sohn immer wieder von Anfällen geschüttelt. Aus seinem Mund quillt Schaum, ein sprachloser Geist beherrscht ihn. Der Vater wendet sich an die Jünger Jesu, doch die schaffen es nicht, den stummen Geist zu vertreiben. Der Vater geht zu Jesus direkt und bittet ihn um Hilfe: "Wenn Du etwas kannst, dann hilft uns", sagt er. Jesus reagiert daraufhin beinahe beleidigt: "Du sagst: Wenn du kannst! Alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt." Da schreit der Vater ihn an: "Ich glaube; hilf meinem Unglauben!" Und Jesus heilt seinen Sohn.
Ich bin vielfach beeindruckt. Zum einen, dass der Vater laut wird. Es hat allen Grund dazu, denn schließlich geht es um das Wohl seines Sohnes. Darum schreit er. Aber er schreit keinen Befehl heraus, keine Beleidigung und keinen Vorwurf. Er schreit um Hilfe. Und darauf reagiert Jesus. Er wird nicht ärgerlich über das Schreien, sondern er hilft endlich.
Es hat eine gute Tradition in unserem Glauben, dass wir nicht wimmern müssen, wenn wir uns an Gott wenden, sondern dass wir um Hilfe auch schreien dürfen. Die Psalmen sind voll von solchen Worten, die Gott sehr dringend ansprechen: "Meine Kräfte sind vertrocknet … und du legst mich in des Todes Staub!" (Ps 22,16) Hiob ruft: "Ich schreie zu dir, aber du antwortest mir nicht!" (Hi 30,20) Selbst Jesus schreit im Sterben zu Gott: "Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?" (Mat 27,46) Was für einen guten Gott haben wir doch, dass wir so etwas dürfen! Wir dürfen laut werden gegenüber Gott, der uns doch versprochen hat, bei uns zu sein. Wir dürfen ihn erinnern an sein Versprechen, dass er es unendlich gut meint mit uns.
Beeindruckt bin ich auch davon, wie genau der Vater sich selbst kennt. Ja, er glaubt, aber er kennt auch seine Zweifel, seinen Unglauben. Wie soll er denn reagieren, als Jesus ihm mit dem Satz kommt: "Alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt"? Der Vater tut das einzig Richtige: Er steht zu seinem Glauben und zu seinen Zweifeln. Der Glaube ist nicht das Problem. Das Problem ist der Unglaube. Für den bittet er Jesus um Hilfe. Und Jesus zögert keinen Moment: Er hilft nicht nur dem kranken Sohn, sondern er erfüllt auch die Bitte des Vaters, ihm in seinen Zweifeln zu helfen.
Die Jahreslosung für 2020 kann man sich getrost aufschreiben, sticken oder malen und im eigenen Haus aufhängen. Man kann sich das ganze Jahr hindurch und länger daran erinnern lassen, dass wir sowohl zu unserem Glauben als auch zu unseren Zweifeln stehen dürfen. Gegenüber anderen Menschen und auch gegenüber Gott. Und wir müssen das nicht leise tun.