Berlin (epd). Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) hat den Startschuss zur Reform des Kinder- und Jugendhilferecht gegeben. Giffey erklärte am Dienstag in Berlin, sie wolle ihren Gesetzentwurf im kommenden Frühjahr vorlegen. Der Staat habe die Verantwortung, dafür zu sorgen, dass jedes Kind seinen Weg mache und müsse es so gut fördern wie möglich, sagte sie. Die gegenwärtigen Regelungen seien nicht immer zum Besten der Kinder.
Zu den Kernelementen der geplanten Reform zählen Verbesserungen für rund 250.000 geistig und körperlich behinderte Kinder und Jugendliche, die zwischen der Behindertenhilfe und der Jugendhilfe hin- und hergereicht werden. Außerdem soll der Kinder- und Jugendschutz verbessert werden. Damit soll auch sexueller Gewalt besser vorgebeugt werden. Auch die Heimaufsicht soll gestärkt werden. Jugendlichen, die im Heim oder eine Pflegefamilie aufwachsen, wird in Aussicht gestellt, dass sie künftig mehr von einem eigenen Einkommen behalten dürfen. Mit Beschwerden sollen sich Eltern und Betroffene künftig an unabhängige Ombudsstellen wenden können.
Giffey nahm am Dienstag den Abschlussbericht von Kinder- und Jugendhilfe-Experten entgegen, die sich ein Jahr lang mit der anstehenden Reform auseinandergesetzt und zahlreiche Empfehlungen ausgesprochen hatten. Die Ergebnisse des Beteiligungsprozesses würden in die Gesetzgebung einfließen, erklärte sie.
Die Diakonie Deutschland warnte, die Reform dürfe keine Enttäuschung werden. Sozialvorstand Maria Loheide erklärte, es sei ein Skandal, dass zehn Jahre nach der UN-Behindertenrechtskonvention Kinder immer noch in unterschiedliche Hilfesysteme aufgeteilt würden: "Für Kinder mit einem IQ von 69 ist die Behindertenhilfe, ab einem IQ von 70 die Jugendhilfe zuständig", sagte sie. Die Eltern würden zwischen den Behörden hin- und hergeschoben, das dürfe künftig nicht mehr sein. Die Kinder- und Jugendhilfe müsse dem Inklusionsgrundsatz folgen.
Ähnlich äußerten sich die privaten Pflegeanbieter. Kinder seien Kinder, ob mit oder ohne Behinderung, erklärte der Präsident des Bundesverbandes der privaten Anbieter (bpa), Bernd Meurer. Die Fachleute aus dem Beteiligungsprozess zur Vorbereitung der Gesetzgebung hätten sich klar dafür ausgesprochen, alle Kinder künftig in das Kinder- und Jugendhilferecht einzubeziehen.
Nach Angaben des Familienministeriums sind von knapp 22 Millionen Kindern und Jugendlichen rund 1,5 Millionen auf staatliche Unterstützung angewiesen. Die Modernisierung der Kinder- und Jugendhilfe war in der vergangenen Legislaturperiode gescheitert. Sie soll nun in dieser Wahlperiode umgesetzt werden. Das Kinder- und Jugendhilferecht regelt unter anderem die Kinderbetreuung, die Jugendhilfe und -arbeit, die Heimerziehung und -aufsicht sowie staatliche Eingriffe bei einer Gefährdung des Kindeswohls. Es ist im Sozialgesetzbuch VIII zusammengefasst und gilt für Kinder und Jugendliche bis zum Alter von 27 Jahren.