Berlin (epd). In Deutschlands größter jüdischer Gemeinde fallen die turnusgemäßen Wahlen zur Repräsentantenversammlung in diesem Jahr aus. Eine gewählte Opposition wird es in dem Gemeindeparlament in den nächsten vier Jahren nicht geben. Grund sei, dass sich insgesamt nur 21 Kandidaten um die 21 Sitze beworben haben, sagte der Gemeindevorsitzende Gideon Joffe dem Gemeindeblatt "jüdisches berlin" (Online). Die 21 Kandidaten kommen demnach alle aus Joffes Wahlbündnis Koach. Kandidaten oppositioneller Listen gab es nicht.
Laut Joffe steht in der Wahlordnung ausdrücklich, dass eine Wahl nicht mehr stattfindet, wenn nicht mehr als 21 Kandidaten zur Wahl zugelassen wurden. Die in der Wahlliste aufgenommenen Kandidaten würden dann ohne Wahl zu Repräsentanten berufen.
In der Geschichte der Gemeinde habe es diese Situation schon zwei Mal gegeben, 1973 und 1977 unter dem damaligen Gemeindevorsitzenden Heinz Galinski (1912-1992). "Die vergangenen vier Jahre haben wir schon praktisch ohne Opposition gearbeitet, weil bei den Sitzungen die Stühle der Opposition meistens leer blieben", sagte Joffe.
Einer der früheren Oppositionsvertreter in der Versammlung, Mike Delberg, sagte der "Jüdischen Allgemeinen" (Online), er sehe keine Chance, "tatsächlich tätig zu werden". Er habe die Erfahrung gemacht, dass man gegen geschlossene Türen anrenne und wolle sich künftig lieber dort einbringen, wo er "mehr bewegen" könne. Das langjährige Versammlungsmitglied Sergey Lagodinsky spricht in der Zeitung von einem "Zustand der totalen Rechtlosigkeit", in dem es keinen Pluralismus geben könne. Demokratie sei abgeschafft, so Lagodynski.