Es riecht nach Metall, Öl und Zigarettenrauch in dem kleinen Betrieb im Nördlinger Gewerbegebiet. Drinnen in der Werkstatt und draußen vor der Halle stehen rund 30 kleinere und größere Glocken, die Risse haben und reparaturbedürftig sind. Werkstatt-Chef Thomas Lachenmeyer und ein Mitarbeiter stehen vor einer der Auftragsarbeiten einer thüringischen Kirchengemeinde, einer rund 250 Kilogramm schweren Glocke. Alles scheint so wie die letzten Jahre und Jahrzehnte.
Doch längst kursieren Gerüchte über das Ende der Traditionsfirma im bayerischen Schwaben, die im Jahr 1924 mit der Glockenschweißerei begann und als einzige Spezialfirma dieser Art in Deutschland tätig ist. Die Homepage ist seit längerer Zeit nicht mehr aufrufbar, ans Telefon geht Firmenchef Thomas Lachenmeyer selbst. Bei einem spontanen Besuch vor vier Wochen steht außer ihm noch ein Mitarbeiter im Betrieb. Der aber wird nur noch bis Ende des Jahres arbeiten.
Ohne Personal
"Mich regen diese Gerüchte einfach nur noch auf", sagt ein erzürnt wirkender Thomas Lachenmeyer. Seit Wochen riefen Kunden oder Glockensachverständige bei ihm an und fragten: Stimmt das, dass Sie aufhören? "Das stimmt einfach nicht", sagt Lachenmeyer und betont, dass er nur "reduzieren" will. Dies habe er einem Teil seiner Kundschaft so auch vor einiger Zeit geschrieben. Und noch mindestens zwei Jahre wolle er seinen Betrieb weiterführen, wenn die Kräfte mitmachen. Allerdings "dann ohne Personal", also alleine und auch nur noch mit Auftragsarbeiten, die er körperlich "noch selbst erledigen kann".
Wie aber kam es zu den Gerüchten, dass er seinen Betrieb Ende des Jahres schließen werde, wie es bereits im Internet auf der Wikipedia-Seite zu seinem Namen steht: "Wegen Mangels an qualifizierten Arbeitskräften soll der Betrieb der Werkstatt zu Ende 2019 eingestellt werden." Die freie Internet-Enzyklopädie verweist auf einen Artikel der evangelischen Domgemeinde Magdeburg. Die hatte vor wenigen Wochen ihre mittelalterliche Sonntagsglocke bei Lachenmeyer schweißen lassen.
Auf ihren Internetseiten schreibt die Magdeburger Kirchengemeinde, dass ihre eigene Glocke "Dominica" wohl die letzte gewesen sei, die von der Firma Lachenmeyer noch repariert wurde. Denn mitten in die Reparaturphase sei per E-Mail von Lachenmeyer selbst die Nachricht geplatzt, dass die Firma ihren Betrieb einstellen wird, da geeignete Mitarbeiter fehlten, sagt Johannes Sattler vom Domglockenverein Magdeburg, der den Artikel geschrieben hat.
Firmenchef fühlt sich missverstanden
"Somit geht mit der Schließung des Glockenschweißwerkes Lachenmeyer nicht nur das Wissen über ein seltenes Hand-Werk verloren, sondern es gibt auch ein Kunst-Werk weniger in Deutschland", schreibt Sattler hochachtungsvoll über die Firma weiter. "Herr Lachenmeyer hat geschrieben, dass unsere Glocke die letzte große Glocke sei, die er noch reparieren werde", sagt Sattler auf Nachfrage.
Auch auf der Internetseite von Sebastian Wamsiedler, der in Nordrhein-Westfalen als geprüfter Glockensachverständiger tätig und Vorstandsmitglied des Deutschen Glockenmuseums ist, steht seit Juni geschrieben: "Es ist eine verhängnisvolle Nachricht für die europäische Glockenlandschaft: Zukünftig werden in Deutschlands einzig bestehendem Fachbetrieb für Glockenschweißungen keine Reparaturen an Glocken mehr durchgeführt." Dies habe Firmenchef Thomas Lachenmeyer im Frühjahr dieses Jahres in einem Schreiben mitgeteilt, sagt Wamsiedler auf Anfrage.
"Die Leute müssen das falsch verstanden haben", entgegnet Thomas Lachenmeyer. Tatsächlich habe er einem Teil der Kundschaft vor Monaten geschrieben, "nicht aber, dass ich den Betrieb einstellen werde". Auf nochmalige Nachfrage bekräftigt Lachenmeyer erneut, dass er "zwar keine größeren Glocken mehr in Auftrag nehmen" werde. Aber "in kleinerem Umfang und mit kleineren Glocken werde ich noch weiterarbeiten", betont der Geschäftsmann.
Prominente "Patienten"
Thomas Lachenmeyer arbeitet in der dritten Generation. Vor 95 Jahren fing der Firmengründer Hans Lachenmeyer die Glockenschweißerei an. Es ist die einzige Firma dieser Art in Deutschland und eine von wenigen in Europa. Glockenschweißereien gibt es noch in den benachbarten Ländern Holland und Österreich. Bei Lachenmeyer hat man in drei Generationen mehrere tausend Glocken wieder zum Klingen gebracht. Von Schweden bis Spanien rollten die Patienten an - einer kam aus Ohio, und Glocken aus afrikanischen Missionsstationen waren auch schon dabei.
Die "Königin unter den Glocken des Mittelalters", wie sie Glockenfreunde nennen, die Erfurter "Gloriosa", hat hier nach mehrwöchiger Behandlung im Jahr 2004 ihre Stimme wiedergefunden. Mit 11,4 Tonnen war die "Gloriosa" ein "Leichtgewicht" gegen die größte freischwebende Glocke der Welt, aus dem Kölner Dom, die "St. Peter-Glocke". Das 25.000 Kilogramm schwere Stück trat 1956 seine Reise zu Lachenmeyers ins Schwäbische an.