Berlin, Bogotá (epd). Mehrere hunderttausend Menschen haben in ganz Kolumbien zumeist friedlich gegen die Regierungspolitik des konservativen Staatschefs Iván Duque demonstriert. Am Rande der Proteste kam es in Bogotá zu Ausschreitungen, wie die Tageszeitung "El Tiempo" am Donnerstagabend (Ortszeit) berichtete. Demonstranten setzten Barrikaden in Brand, zerstörten Bushaltestellen und verwüsteten Geschäfte. Die Polizei setzte Tränengas und Wasserwerfer ein. Einige Demonstranten versuchten, in das Kongressgebäude einzudringen. In Cali verhängte der Bürgermeister eine nächtliche Ausgangssperre.
Die landesweiten Demonstrationen gelten als die größten Proteste in der jüngeren Geschichte Kolumbiens. Ein Bündnis aus Gewerkschaftern, Studenten und Lehrern prangert die wirtschaftliche Ungleichheit, Gewalt gegen Indigene und Aktivisten sowie die ausufernde Korruption an.
Duque zeigte sich in einer TV-Ansprache dialogbereit. "Heute haben die Kolumbianer geredet, wir haben zugehört", sagte er. "Wir wissen, dass friedliche Proteste in einer Demokratie legitim sind", sagte er. Es hätten sich "Frustrationen angestaut, die wir lösen und um die wir uns kümmern müssen". Duque widersprach Meldungen in den sozialen Medien, dass seine Regierung beabsichtige, das Rentenalter hochzusetzen und Löhne für Berufsanfänger zu senken.
Unter dem Eindruck der Massenproteste in anderen südamerikanischen Ländern reagierte Kolumbiens Regierung mit einem starken Aufgebot an Sicherheitskräften auf die landesweiten Demonstrationen. Insgesamt seien 170.000 Polizisten im Einsatz, berichteten kolumbianische Medien. Zudem ließ die Regierung die Grenzübergänge schließen.
Trotz des 2016 geschlossenen Friedensvertrages zwischen der Regierung unter Ex-Präsident Juan Manuel Santos und der linken Farc-Guerilla ist Kolumbien weit von einer Befriedung entfernt. Paramilitärische bewaffnete Gruppen ringen in weiten Teilen des Landes um Gebiete, aus denen sich der Staat zurückgezogen hat. Zahlreiche Aktivisten und indigene Führer wurden bereits getötet. Duque hatte zudem mehrfach angekündigt, wichtige Teile des Friedensvertrages ändern zu wollen. Das betrifft vor allem die Einrichtung der Sonderjustiz, denn er hält die Strafen für Ex-Guerilleros für zu niedrig.