Es riecht nach Kaffee und Croissant in der Abflughalle B des Frankfurter Flughafens. Rollende Koffer bestimmen die Geräuschkulisse, die alle paar Sekunden von einer Durchsage übertönt wird. Fast würde man die Treppe neben einem Restaurant gar nicht sehen, die in die graue Büro-Etage führt. Erstmal schreit dort nichts nach Kirche oder Besinnlichkeit. Erst am Treppenende wird der Blick auf ein brennendes Teelicht frei. Dort oben befindet sich die Hauptkapelle des Frankfurter Flughafens. Insgesamt gibt es drei ökumenische Kapellen.
In wenigen Minuten beginnt hier die erste von zwei Trauerfeiern für eine kürzlich verstorbene Mitarbeiterin der Lounge. Die Frau wurde bereits nach einem buddhistischen Ritual beerdigt. Die Kapelle am Frankfurter Flughafen bietet jedoch den Mitarbeitern an, sich speziell von der Person zu verabschieden.
154000 Menschen sind heute am größten Flughafen Deutschlands unterwegs, der mit 81000 Mitarbeitern auch gleichzeitig die größte lokale Arbeitsstätte Deutschlands ist. Flughafen-Pfarrerin Bettina Klünemann hat sich schnell ihren Talar übergeworfen. Sie wird gleich die Zeremonie halten. "Wir machen oft zwei Feiern, eine für die Frühschicht und eine für die Spätschicht", sagt sie und stellt sich an den Eingang der Kapelle, um dort die Trauergäste zu begrüßen. In dem Raum stehen dutzende Holzstühle, ein Redepult und sogar eine Mini-Orgel.
Marie Kröger ist Volontärin beim GEP. Zuvor arbeitete sie beim "Focus Magazin", dem "Hamburger Abendblatt" und diversen Onlineredaktionen. Sie hat Journalismus, European Studies und Philosophie in Berlin, Budapest und Stellenbosch studiert. Am liebsten schreibt sie Reportagen über Menschen, die keinen geraden Lebensweg gegangen sind – und trotzdem erfüllt sind.
Während Klünemann die Hände der ersten Trauergäste schüttelt, läuft aus einer Bluetooth-Box klassische Musik. Neben dem Sohn ist auch die Schwester der Verstorbenen gekommen. Einige Besucher tragen Kochschürze, andere eine Uniform der Deutschen Bahn.
Mit "Sie fehlt" beginnt Klünemann ihre Trauerrede, auf dem Tisch brennen Kerzen, daneben ein großes Foto, auf dem die Verstorbene lacht. Die Gäste wirken schnell ergriffen von der Atmosphäre, die nur wenige Meter von der trubeligen Abflughalle B entfernt liegt. Eine Frau weint, ihre Kollegin nimmt sie in den Arm, eine andere verteilt Taschentücher.
Pfarrerin Klünemann führt mit ihren ausgewählten Bibelstellen in einen interaktiven Dialog über. "Was geht ihnen durchs Herz, wenn sie an sie denken? Was wäre ein Wort, was sie an sie erinnert?", fragt die Pfarrerin offen in den Raum.
Nach einer Weile sagt eine Frau "Fröhlichkeit", die anderen stimmen ihr nickend zu. Es entsteht ein gemeinsames Gespräch, in dem Anekdoten ausgetauscht werden. Zum Schluss segnet Klühnemnn die Gäste und verteilt an jeden Bienenwachs-Kerzen zum Anzünden.
Anschließend treffen sich alle bei den vier hellgrünen Glas-Tafeln am Eingangsbereich der Kapelle. Der Sohn der Verstorbenen zeigt auf den dort niedergeschriebenen Namen seiner Mutter. Auf den Tafeln wird jeder Verstorbene vermerkt, der einen Bezug zum Flughafen hatte - Angestellte aber auch Reisende, die am Flughafen verstorben sind.
Im Jahr 2001 wühlte ein tödlicher Unfall auf dem Rollfeld die Angestellten so sehr auf, dass sie diesen Erinnerungs-Ort einforderten. Über 120 Namen stehen heute auf den Tafeln - mit dem Geburts- sowie dem Todesdatum. "Manchmal kommen die HInterbliebenden vorbei und zeigen den Enkeln stolz, wo ihr Opa steht", erzählt Klünemann.
Vor kurzem bekam die Pfarrerin einen Anruf von einem ehemaligen Mitarbeiter, der mittlerweile in Rente ist. "Er hat keine Familie und möchte unbedingt auf die Tafel", sagt die Pfarrerin mit einem Lächeln. "Natürlich habe ich ihm gesagt, dass das geht. Aber ihm auch gewünscht, dass er das Gleiche nochmal mit meiner Nachfolgerin besprechen muss".
Um 15 Uhr endet die zweite Trauerfeier. Die nächste Schicht beginnt in wenigen Minuten. Auch diesmal hatten die Gäste 30 Minuten Zeit, sich von der Verstorbenen zu verabschieden. Auch diesmal treffen sich alle vor der Tafel und tauschen Anekdoten aus. Diese "After Talk"-Runde nach der Feier sei oft das wichtigste Element der gesamten Trauerfeier, berichtet Klünemann.
Eine Frau schüttelt der Pfarrerin die Hand "Richtig schön, so einen Ort hier zu haben. Wie im richtigen Leben", stellt sie fest. Dann wirft sie sich ihren Rucksack über und läuft die Treppen hinunter, vorbei an dem Teelicht und wieder hinein in die hektische Welt der Abflughalle B.