Im Osten Deutschlands habe der Staat eine Tendenz beschleunigt, die sich zunehmend auch im Westen zeige, sagte Christian Stäblein. Der Theologe ist zurzeit Propst in Berlin und tritt am 16. November die Nachfolge von Markus Dröge als Bischof in der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz an. Religionsfreiheit werde vor allem als "negative Religionsfreiheit" interpretiert. Man wolle "frei sein von Religion".
Doch die Freiburger Studie, die eine Halbierung der Mitgliederzahlen bis 2060 prognostiziert, habe auch im mitgliederschwachen Brandenburg einen Schock ausgelöst. "Selten habe ich den Satz, ein Dorf ohne Kirche wollen wir uns nicht vorstellen, so oft gehört wie in den letzten Monaten", betonte Stäblein: "Gerade von Nichtmitgliedern."
Klares Profil, kreative Regeln
Der künftige Bischof hält ein klares Profil der Kirche bei gleichzeitiger Kreativität in den Mitgliedschaftsregeln für nötig. So sollte es auch Fördermitgliedschaften oder ruhende Mitgliedschaften geben. Wenn Menschen in der "Rushhour des Lebens" für den Hausbau oder das Studium der Kinder sparen, sollte die Kirche nicht noch nachtreten und Briefe verschicken, in denen steht, was Ausgetretene alles nicht mehr dürften. "Vom Beschimpfen kommen die Leute nicht zurück", sagte der leitende Theologe. Stattdessen könnte man vereinbaren, dass jemand einige Jahre keine Kirchensteuer zahlt, aber dennoch Mitglied bleibt.
Die Landeskirche, die Stäblein künftig leiten wird, hat gut 940.000 Mitglieder in knapp 1.250 Gemeinden in Berlin, Brandenburg und der sächsischen Region Görlitz. Der Anteil der Kirchenmitglieder an der Gesamtbevölkerung liegt dort im Schnitt bei 15 Prozent.