Wittenberg (epd). Die stellvertretende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus, hat sich dafür ausgesprochen, das umstrittene "Judensau"-Relief von der Fassade der Wittenberger Stadtkirche zu entfernen. "Ich finde, dass Antisemitismus in unserer Gesellschaft nichts verloren hat", sagte die westfälische Präses am Donnerstag im "Mittagsmagazin" des ZDF am Rande eines Gottesdienstes zum Reformationstag in der Lutherstadt. Alles, was Antisemitismus befördern könnte, "sollten wir tatsächlich aus der Öffentlichkeit verbannen", fügte sie hinzu.
Am Mittwoch hatte bereits der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, dafür plädiert, die Schmähplastik zu entfernen. Die Stadtkirchengemeinde sieht sich indes als "Erbin eines schwierigen Erbes, das nicht entsorgt werden soll, sondern als ein Geschichtszeugnis an Geschichte erinnern und über Geschichte aufklären soll".
Stadtkirchenpfarrer Johannes Block sagte, eine Gedenktafel und eine Hinweistafel seien "Ausdruck der Trauer und der Distanzierung von der Geschichte des Antijudaismus und des Antisemitismus". Die Gemeinde habe sich entschieden, das Erbe dieser Schmähplastik nicht zu verleugnen, sondern mit dem Originalstück am Originalplatz Geschichte zu präsentieren und aufzuarbeiten.
Das Sandsteinrelief war um das Jahr 1300 an der Südfassade der Stadtkirche angebracht worden. Es zeigt eine Sau, an deren Zitzen sich Menschen laben, die Juden darstellen sollen. Ein Rabbiner blickt dem Tier unter den Schwanz und in den After. Schweine gelten im Judentum als unrein. Ähnliche Spottplastiken finden sich an mehreren Dutzend weiteren Kirchen in Deutschland.