Frau Jakubek, es heißt, ältere Menschen hätten heute andere Lebensthemen als früher. Was heißt das?
Martina Jakubek: Es sind momentan die "Alt-68er" und demnächst die "Baby-Boomer", die in die nachberufliche Phase eintreten. Im Laufe ihres Lebens wurden sie etwa von Emanzipations-, Friedens- und politischen Protestbewegungen geprägt. Menschen dieser Generationen haben im Gegensatz zu Vorgänger-Generationen seltener traditionelle Haltungen und verstehen die Kirchengemeinde nicht mehr als selbstverständliche "Heimat", in der man sich engagiert, "weil sich das so gehört". Damit sind auch die Lebensthemen ausgesprochen vielfältig und lassen sich kaum von denen jüngerer Menschen unterscheiden: von Sport über Gesundheit und Reisen bis zum Digitalen Wandel. Im Spektrum von Kirche gehört zum Beispiel auch Fragen nach dem Sinn im Leid oder die Sehnsucht nach einer eigenen Spiritualität dazu.
Aber gibt es nicht gerade in der kirchlichen Altersarbeit auch thematische "Dauerbrenner" - können Sie einige nennen?
Jakubek: Ich glaube nicht, dass es die thematischen "Dauerbrenner" gibt, wenn man sie im Sinne von "Selbstläufer" versteht. "Alter" ist kein besonders geliebtes Thema. "Alter" ist angstbesetzt und gesellschaftlich nicht wertgeschätzt. "Dauerbrenner" waren und sind teilweise noch die Seniorenkreise. Sie sind eine wertvolle Begegnungsform für die heute hochaltrigen Menschen. Viele Kirchengemeinden berichten allerdings, dass die Mitglieder der Seniorenkreise und häufig auch deren Leitung weit über 80 Jahre alt sind. Es gibt aber interessante Entwicklungen: Diese entstehen, wenn Kirchengemeinden auf Eigeninitiative setzen, Gestaltungsfreiräume bieten und ältere Menschen nicht vor allem als "Zielgruppe" verstehen, für die man das "richtige Angebot" entwickeln muss. Vielmehr braucht es die Haltung: "Wir gestalten für uns."
Wie also muss sich Kirche im Bereich Altersarbeit verändern oder weiterentwickeln, um die Bindung zu Älteren zu halten?
Jakubek: Verkürzt könnte man sagen: Weniger nach den Bedürfnissen der Menschen fragen und dafür mehr auf ihre Beziehungen eingehen. Hinter dem Bedürfnis nach guten, tragfähigen Beziehungen geht es um die Sorge, "ob ich im Alter gut versorgt bin". Die Unterstützung und Initiierung von "Caring Communities" ist daher - so wie sie der siebte Altenbericht der Bundesregierung "Sorge und Mitverantwortung in der Kommune - Aufbau und Sicherung zukunftsfähiger Gemeinschaften" vorschlägt - eine Option für zukünftige kirchliche Altersarbeit. Mit dem Leitmotto "Sorgende Gemeinde werden" übernehmen Gemeinde die Aufgabe, das soziale Netz der Menschen zu stärken und tragfähig zu machen. Denn: Füreinander da zu sein und sich gegenseitig zu helfen gehört zum christlichen Menschenbild.