Zum sechsten Mal wird Zirkus- und Schaustellerseelsorger Johannes Bräuchle für einige Tage den Bad Dürkheimer Wurstmarkt besuchen, der am Freitag, 6. September beginnt. Am Freitag, 13. September, feiert der 71-Jährige im Zelt "Circus, Circus" der Familie Beinhorn Gottesdienst. "Ich fühle mich auf dem Wurstmarkt wie in meiner Wohnstube", sagt Bräuchle, der jedes Jahr etliche Wochen auf süddeutschen Volksfesten unterwegs ist.
"Eine ganze Reihe Fahrgeschäfte sind hier immer am gleichen Platz, ich weiß genau, wen ich wo treffe", sagt Bräuchle. Beim Schlendern über das größte Weinfest der Welt komme er mit seiner Gemeinde ins Gespräch. "Das ist schon vergnügungssteuerpflichtig."
Bräuchle fürchtet allerdings, dass der Charme des Wurstmarkts verloren gehen könnte. Die Schubkarchstände, wo sich der Pfarrer am liebsten aufhält, trügen zwar dazu bei, den Volksfestcharakter zu bewahren. Durch die schiere Größe des Fests und seinen europaweiten Bekanntheitsgrad entwickle sich der Wurstmarkt aber mehr und mehr zur Megaparty.
Diese Bedenken teilten auch Schausteller, die nach dem Wurstmarkt zum Cannstatter Wasen weiterreisten, sagt Bräuchle. Ebenso wie das Münchner Oktoberfest sei der Wasen zu einer Saufveranstaltung gekippt - inklusive ausfälliger Besucher. "Nach Stuttgart gehen wir nicht mehr gerne, aber wir müssen hin, weil wir Geld verdienen müssen", sagten die Schausteller. Bräuchle hat seine Befürchtungen in Bad Dürkheim bereits dem Stadtrat und dem Bürgermeister vorgetragen.
Als konkrete Hilfe für die Schausteller will sich der Württemberger Pfarrer im Ruhestand für mobile Klassenzimmer während des Wurstmarkts einsetzen. Dafür will er Kontakte zum Kultusministerium herstellen. In Baden-Württemberg habe das Ministerium im Frühjahr endlich die Genehmigung für einen solchen außerschulischen Lernort erteilt.
Ziel der mobilen Klassenzimmer ist, dass ein Lehrer die Schausteller auf Jahrmärkte begleitet, um die Qualität der Bildungsarbeit zu sichern. Bisher besuchen Schaustellerkinder sogenannte Stützpunktschulen, so auch in Bad Dürkheim. Allerdings schwankt nach Bräuchles Erfahrung an solchen Schulen die Unterstützung durch Rektoren und Lehrer.
Predigen will Bräuchle auf dem Wurstmarkt "nah an der dortigen Berufsgruppe". Themen könnten die von den Schaustellern vieldiskutierten höheren Brandschutzanforderungen oder die Dieselproblematik sein. Die Schaustellerseelsorge sei unmittelbarer an den Menschen als Pfarrer in klassischen Gemeinden. Der Pfarrernachwuchs könnte nach Bräuchles Ansicht daher auf Volksfesten gut lernen, wie ein Gespräch geführt wird, in dessen Verlauf sich seelsorgerliche Themen ergeben. "Die Pfarrseminare haben das aber gar nicht auf dem Schirm."