Die vorherrschende Haarfarbe in der Synode der Nordkirche ist grau. Mit seinem grün-blauen Irokesen-Schnitt, Nieten-Armband und zerrissenen Jeans fällt Matthias Isecke-Vogelsang (66) hier im evangelischen Kirchenparlament besonders auf. Doch Punk und Christentum passen für den pensionierten Schulleiter aus dem ostholsteinischen Süsel gut zusammen. "Zu den 99 Namen Gottes gehört als 100. 'Punk' dazu", sagt er.
Aufgewachsen ist Matthias Isecke-Vogelsang in einem Arbeiterviertel in Essen. "Ich war ein nicht angepasstes Kind mit vielen Schwierigkeiten", räumt er ein. Mit 20 Jahren wurde er Hippie. Einige Jahre später entdeckte er den Punk. Es sei die Chance gewesen, aufzufallen. "An Hippies hatten sich viele gewöhnt." Auch im Generationenkonflikt mit seinen Eltern sah er den Punk als Möglichkeit, "noch mal eine Schippe drauf zu legen".
Kindheit und Jugend waren christlich geprägt. Er ging regelmäßig zum Kindergottesdienst, war beim CVJM und bei den Pfadfindern aktiv. In seinem Pädagogik-Studium wählte er Religion als Zusatzfach. Sein Interesse am Religionsunterricht hielt auch als Lehrer und Schulleiter an. Er rief Schulgottesdienste ins Leben und organisierte Fortbildungen für Religionslehrkräfte. Gemeinsam mit seiner Frau Annegret schreibt er derzeit ein Buch über "Spiele im Religionsunterricht".
Das Miteinander steht im Mittelpunkt
Vermutlich gibt es bundesweit keinen Schulleiter, der als "Punk-Pauker" so häufig für Schlagzeilen sorgte - vor allem nach seinem Wechsel 2010 von Süsel nach Lübeck. Vor einem Jahr ging er in Pension. Gerade weil er selbst ein schwieriges Kind war, schlage sein Herz für problematische Schüler, sagt er. Es passe zum Punk, sich für benachteiligte Kinder einzusetzen, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen. "Deshalb konnte ich Schulleiter und Punk gut miteinander verbinden."
Ehrenamtlich ist er seit langem in der Kirche engagiert, hat Strandgottesdienste in Scharbeutz und Motorrad-Gottesdienste mitorganisiert. Vor einem Jahr wurde er in die Landessynode gewählt und hat dort auch gleich den Vorsitz im Inklusionsausschuss übernommen. Punks und Christen, so sieht es Matthias Isecke-Vogelsang, haben ein ähnliches Menschenbild. Im Mittelpunkt stehe das Miteinander, die Hilfe für Schwache und die Akzeptanz anderer ohne Vorbehalt. Er räumt allerdings ein, dass nicht alle seiner "Punkerkumpels" dies teilen. Ihm sei wichtig, die eigene Individualität zu behalten und authentisch zu bleiben.
Klar sagen, was falsch läuft
Matthias Isecke-Vogelsang wünscht sich eine politische Kirche, die mit ihren Positionen auch mal aneckt. Sie habe den klaren Auftrag, zu sagen, was in der Gesellschaft falsch laufe. Sie müsse zudem ihre Botschaft in einfacher Sprache vermitteln. Neue Formen der Gottesdienste seien sinnvoll, um mehr Menschen anzusprechen.
Die christliche Religion, auf die er seine Werte aufgebaut habe, sei auch Basis seines eigenen Lebens, sagt er. Es gehe um grundsätzliche Fragen nach dem Sinn des Lebens und dem Tod. "Ich möchte nicht mit dem letzten Atemzug sagen: Das war's." Mit seiner Frau hat er drei Kinder, die mittlerweile erwachsen sind. Großvater ist er auch schon. Im nächsten Jahr wollen beide Süsel verlassen und nach Hamburg ziehen. Vor allem die Kultur in der Großstadt reizt die beiden. "Wir wollen kulturelles Leben noch mal in vollen Zügen miterleben." Allerdings wird er Mitglied seiner Gemeinde und damit auch Landessynodaler bleiben.