In den Briefen, die Pfarrer Matthias Pape nahezu täglich in der Verwaltung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) vorgelegt bekommt, geht es zur Sache. "Ich glaub' wohl es hackt! Ich habe jetzt schon zum dritten Mal Werbung von ihrem drecks Kirchenverein bekommen!" heißt es in einem Schreiben. "Sich gegen die rechtmäßige Abschiebung von Flüchtlingen auszusprechen zeigt nur, wie verkommen die EKHN inzwischen ist", empört sich ein anderer Schreiber. "Hoffentlich treten weiterhin Mitglieder aus." Pape ist zuständig für den Bereich "Mitgliederorientierung" - und damit auch für den Kontakt zu enttäuschten Mitgliedern, die sich immer häufiger im Ton vergreifen.
Früher sei er gelegentlich am Telefon beschimpft worden, inzwischen würden Wutschreiben fast ausschließlich per E-Mail abgeschickt, oft auch noch um drei Uhr nachts und gelegentlich an eine lange Liste von Adressaten - von der Bundeskanzlerin bis hin zum Papst. Regelmäßig werde der "linksversifften Kirche" mit dem Austritt gedroht. "Wir beantworten das in der Regel", sagt Pfarrer Pape, zumindest, wenn es sich bei den Absendern tatsächlich um Kirchenmitglieder handelt.
Ruppiger Ton
"Der Ton ist bei uns auch ruppiger geworden", bestätigt Stephan Krebs, Leiter des Stabsbereichs Öffentlichkeitsarbeit in der EKHN. In den Zuschriften geht es immer wieder um Äußerungen leitender Kirchenvertreter zur Asyl- und Flüchtlingspolitik. Attackiert werde auch die Gleichstellung von Homosexuellen durch die Landeskirche. Und dann gibt es auch regelmäßig unangemessene Reaktionen zu Weihnachten oder bei Konfirmationen, wenn Pfarrer und andere Gemeindeverantwortliche wegen fehlender Sitzplätze in den überfüllten Kirchen beschimpft werden.
Bei Kirchenvertretern, die deutlich vor den Gefahren des Rechtspopulismus warnen oder sich zur Flüchtlingspolitik zu Wort melden, ist das Risiko besonders groß, dass sie auch persönlich zur Zielscheibe werden. So landete der langjährige Kölner Stadtsuperintendent Rolf Domning zusammen mit dem katholischen Münchener Kardinal Reinhard Marx und der bayerischen Pfarrerin Doris Otminghaus auf der "Schwarzen Liste" eines rechten Internetportals. Die anonymen Verfasser wollen die Kirchenleute zur Rechenschaft ziehen, weil sie an der angeblichen "Islamisierung" und vermeintlichen "Umvolkung Deutschlands" beteiligt seien.
Bei seiner Verabschiedung in den Ruhestand Anfang Juli machte Domning die Anfeindungen zum Thema seiner Abschiedspredigt: "So weit sind wir also wieder, dass zu Denunziationen aufgerufen wird und die vorgeblich Anständigen als Blockwarte an schwarzen Listen mitarbeiten dürfen und Informationen sammeln sollen. Wir dürfen uns nicht von diesen Herren der Finsternis einschüchtern lassen."
In der Pfalz wurde Kirchenpräsident Christian Schad zur Zielscheibe verbaler Angriffe und von Drohungen, als er nach dem Mord an einer Schülerin in Kandel zur Mäßigung aufrief und vor Rassismus und Hetze warnte. Eine oder zwei der damaligen Zuschriften seien an die Juristen der Landeskirche weitergeleitet worden, sagt Kirchensprecher Wolfgang Schumacher. Mit Strafanzeigen gegen die Verfasser beleidigender Zuschriften halten sich die Kirchen allerdings zurück.
"Im vergangenen Herbst habe ich einmal eine anonyme Mail bekommen, die stark beleidigend war", berichtet der evangelische Pfarrer Christian Hartung aus Kirchberg im Hunsrück. "Ein katholischer Kollege aus Mayen bekam im September eine sehr ähnlich gelagerte von derselben Adresse. Wir haben beide Anzeige erstattet, die Ermittlungen wurden irgendwann ergebnislos eingestellt." Hartungs Gemeinde war in den vergangenen Monaten immer wieder in den Fokus der Medien geraten, weil sie einem Mann aus dem Sudan Kirchenasyl gewährt hatte und dabei auch vor einem handfesten Konflikt mit der Kreisverwaltung nicht zurückschreckte.
Immerhin hat der Pfarrer, von dem einen angezeigten Fall abgesehen, keine weiteren Bedrohungen oder Beleidigungen erlebt, dafür aber auch andere Erfahrungen gemacht. Es habe durchaus noch einige Anrufe mit heftiger Kritik gegeben. Die Anrufer seien aber nie anonym und immer bereit zu einem längeren Telefongespräch gewesen. Am Ende sei man trotz der bleibenden Meinungsverschiedenheiten freundlich und respektvoll auseinandergegangen: "So etwas muss absolut sein, das zähle ich nicht mit."