Gütersloh (epd). Rund die Hälfte der Bundesbürger nimmt laut einer aktuellen Studie den Islam als Bedrohung wahr. In Ostdeutschland liegt der Anteil mit 57 Prozent noch höher als in Westdeutschland (50 Prozent), wie die Bertelsmann Stiftung am Donnerstag in Gütersloh bei der Vorstellung des aktuellen "Religionsmonitors" erklärte. Offenbar würden viele Menschen den Islam derzeit weniger als Religion, sondern vor allem als politische Ideologie ansehen, erklärte die Religionsexpertin der Bertelsmann Stiftung, Yasemin El-Menouar. Auch durch die gesellschaftlichen Debatten und Medienberichte der vergangenen Jahre sei der Islam häufig in einen negativen und kritischen Zusammenhang gerückt worden.
Nach Ansicht des Osnabrücker Islamexperten Rauf Ceylan ist das negative Bild des Islam in Deutschland vor allem durch die Debatte über Zuwanderung geprägt. "Der Islam- und der Migrationsdiskurs verschmelzen seit einigen Jahren", sagte Ceylan dem Evangelischen Pressedienst (epd). Globale Konflikte im Nahen Osten würden ebenfalls mit dem Islam assoziiert.
Islamverbände müssten sich laut Ceylan stärker dafür einsetzen, Ängste in der Bevölkerung abzubauen, und noch mehr Dialogangebote schaffen. Ceylan sieht als Konsequenz aus der Studie aber auch deutsche Medien in der Pflicht, den Islam nicht nur in problematischen Kontexten zu thematisieren. "In der Berichterstattung über den Islam als Religion geht es selten um die Rezitationskunst des Koran, sondern meist um konfliktbehaftete Themen wie die Integration von Flüchtlingen", sagte Ceylan.
Der Bielefelder Konfliktforscher Andreas Zick warnte vor zunehmender Islamfeindlichkeit und Ausgrenzung von Muslimen. Die Sprache der vermeintlichen Islamkritik sei in den letzten Jahren immer aggressiver geworden, sagte der Wissenschaftler dem epd. Rechtspopulistische Gruppen bemäntelten zudem ihre Islamfeindlichkeit als Islamkritik. Zick rief dazu auf, Vorurteile und Klischees über den Islam kritisch zu hinterfragen.
Die Mehrheit der Bundesbürger (87 Prozent) ist der Studie zufolge zwar grundsätzlich offen gegenüber anderen Weltanschauungen eingestellt. Doch nur knapp jeder zweite Deutsche ist der Meinung, dass religiöse Pluralität die Gesellschaft bereichert. Den Islam wertet lediglich ein Drittel der Bevölkerung als Bereicherung. Christentum, Judentum, Hinduismus und Buddhismus werden hingegen von einer Mehrheit als bereichernd empfunden.
Durch persönliche Begegnungen nimmt die Ablehnung gegenüber dem Islam der Studie zufolge ab. Menschen, die regelmäßig Kontakt zu Angehörigen anderer Religionen haben, würden religiöse Vielfalt und den Islam seltener als Bedrohung empfinden, heißt es in der Studie. Fast jeder Zweite dieser Gruppe (46 Prozent) sähe den Islam sogar als Bereicherung an. Bei Menschen, die kaum persönlichen Kontakt zu anderen Religionen haben, halten 64 Prozent den Islam für bedrohlich.
Der "Religionsmonitor" der Bertelsmann Stiftung vergleicht international die Bedeutung von Religion für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Grundlagen sind repräsentative Bevölkerungsumfragen. Die Ergebnisse der Studie basieren auf Daten des "Religionsmonitors" 2017, außerdem wurden aktuell in diesem Jahr vom infas Institut für angewandte Sozialwissenschaft in Bonn rund 1.000 Bundesbürger befragt.
epd lwd/hei kfr