Köln (epd). Die Kapitänin der "Sea-Watch 3", Carola Rackete, hat nach Worten des "Lifeline"-Kapitäns Claus-Peter Reisch kein Seerecht verletzt. "Irgendwann kennt Not kein Gebot mehr", sagte Reisch am Dienstag im "Morgenecho" auf WDR 5. "Dann muss sie das Richtige tun, und das ist in dem Fall, die Leute an Land bringen." Als Kapitän in einer solchen Situation sei man für das körperliche und seelische Wohlergehen der Flüchtlinge und der Crew verantwortlich.
Die "Sea-Watch 3" hatte am 12. Juni Dutzende Bootsflüchtlinge aus dem Mittelmeer gerettet. Nach mehr als zwei Wochen vergeblichen Bittens um eine Genehmigung zum Anlegen liefen die Retter am Wochenende ohne Erlaubnis in den italienischen Hafen Lampedusa ein. Kapitänin Rackete wurde festgesetzt und unter Hausarrest gestellt, das Schiff wurde beschlagnahmt. Am Montag wurde Rackete in die sizilianische Stadt Agrigent gebracht und dort einem Untersuchungsrichter vorgeführt. Laut Sea-Watch forderte die Staatsanwaltschaft die Ausweisung nach Deutschland. Der Fortgang der Ermittlungen sei aber noch unklar.
"Wenn es tatsächlich so kommt, dass sie die italienische Justiz in ihrer vollen Härte trifft, dann ist es natürlich sehr tragisch", sagte Reisch. Der italienische Innenminister Matteo Salvini lasse keine Gelegenheit offen, die Seenotretter in einem Jargon "weit unterhalb der Gürtellinie" zu beschimpfen. "Und er wird auch nichts unversucht lassen, sie in irgendeiner Art und Weise zur Rechenschaft zu ziehen", betonte der Kapitän der "Lifeline". "Herr Salvini hat für meine Begriffe keine Ahnung von Seerecht, und er hat auch keine Ahnung von dem, was auf dem Meer tatsächlich vor sich geht."
Rackete sei eine starke Frau, unterstrich der Kapitän, der mit ihr zusammen bereits eine Mission bestritt: "Ich rate ihr, einfach durchzuhalten." Dazu gehöre es, Ruhe zu bewahren und sich nicht auf den Jargon von Salvini einzulassen. Das werde sie aber auch nicht tun, sagte er.
"Die private Seenotrettung sollte eigentlich völlig überflüssig sein", betonte Reisch. Seenotrettung sei eine staatliche Aufgabe. "Aber wenn die Staaten diese Aufgabe schon nicht wahrnehmen wollen, dann sollen sie doch wenigstens unbehelligt die Seenotretter, die privat dort tätig sind, arbeiten lassen", sagte er.
Das Rettungsschiff "Lifeline" hatte im Sommer vergangenen Jahres im Mittelmeer 234 Flüchtlinge an Bord genommen. Erst nach tagelanger Irrfahrt durfte das Schiff der Organisation "Mission Lifeline" in Valletta anlegen und wurde danach von den maltesischen Behörden beschlagnahmt. Reisch musste sich in Valletta vor Gericht verantworten und wurde wegen des Vorwurfs der falschen Registrierung des Rettungsschiffes zu einer Geldstrafe von 10.000 Euro verurteilt. Der Kapitän legte inzwischen Revision gegen das Urteil ein.