Detmold (epd). Am Landgericht Detmold hat am Donnerstagmorgen der Prozess im Fall des mutmaßlichen vielfachen Kindesmissbrauchs auf einem Campingplatz in Lügde begonnen. Angeklagt sind ein 56-jähriger Dauercamper, ein 34-jähriger mutmaßlicher Mittäter und ein 49-Jähriger aus Stade. Die Staatsanwaltschaft wirft den beiden Hauptverdächtigen in mehr als 450 Fällen Kindesmissbrauch und Herstellung von Kinderpornografie vor. Der dritte Beschuldigte ist angeklagt, weil er an Webcam-Übertragungen teilgenommen haben soll.
Das Gericht hat zunächst zehn Verhandlungstage bis zum 30. August festgelegt. Der erste Tag war für die Anklageverlesung und Aussagen der Angeklagten vorgesehen. Auf dem Campingplatz im Kreis Lippe nahe der niedersächsischen Grenze sollen mehr als 40 Kinder zwischen vier und 13 Jahren über Jahre hinweg sexuell missbraucht worden sein.
Der Rechtanwalt der Opfer, Roman von Alvensleben, warf den Behörden zum Prozessauftakt Versagen vor. Es habe genügend Hinweise auf möglichen Missbrauch gegeben, sagt der Anwalt der "Westdeutsche Allgemeine Zeitung" (Donnerstag). "Das ganze System hat nicht funktioniert." Alvensleben kritisierte einen "fehlenden Informationsfluss" und eine mangelnde Vernetzung der Behörden vom Jugendamt und bis zur Polizei. "Was in Lügde ist, das hätte alles nicht passieren müssen." Der Hamelner Jurist vertritt als Nebenkläger im Prozess mehrere missbrauchte Kinder.
Recherchen von NDR, WDR und "Süddeutsche Zeitung" hatten ergeben, dass der Hauptverdächtige im Missbrauchsfall von Lügde möglicherweise schon vor knapp 20 Jahren hätte gestoppt werden können. Bereits im Jahr 2000 habe es konkrete Hinweise auf den Mann gegeben, die aber von den Behörden nicht verfolgt worden seien, berichteten Sender und Zeitung am Mittwoch. Eine Mutter habe damals Strafanzeige gegen ihren Ehemann gestellt, den sie verdächtigt habe, die eigene Tochter zu missbrauchen.
In ihrer handschriftlichen Anzeige habe die Frau aber auch einen zwei Jahre zurückliegenden Vorfall mit dem vermeintlichen Kinderfreund aus Lügde erwähnt und Umstände eines mutmaßlichen Missbrauchs ihrer damals vierjährigen Tochter beschrieben. Dazu habe sie den Spitznamen des heute beschuldigten 56-Jährigen genannt und den Campingplatz lokalisiert. Der damalige Staatsanwalt sei jedoch ausschließlich der Spur gefolgt, dass der Vater das Kind missbraucht haben könnte.