Dortmund (epd). Angesichts der Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke haben Kirchenvertreter und Journalisten auf dem evangelischen Kirchentag in Dortmund vor den Folgen von Hass und Hetze gewarnt. "Wenn massiv und systematisch Misstrauen gegen Menschen in politischer Verantwortung gesät wird, Menschen auf dieser Basis attackiert und beschuldigt werden, dann kann das Gift sogar tödlich wirken", sagte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, in einer Bibelarbeit am Freitagmorgen. In der Gesellschaft breite sich ein Klima des Misstrauens aus, die Politik bedürfe aber eines Urvertrauens. "Dass sich Menschen überhaupt noch für solche Ämter zur Verfügung stellen, ist keine Selbstverständlichkeit."
Die Journalistin Dunja Hayali rief zu mehr Engagement gegen Hass und Gewalt auf. "Die schweigende Mitte muss sich mehr einbringen", sagte die Fernsehmoderatorin, die selbst immer wieder Hassnachrichten erhält. Die Ermordung von Lübcke durch einen mutmaßlichen Rechtsextremisten zeige, "dass Hass auch Konsequenzen hat".
Die NDR-Journalistin Anja Reschke berichtete in ihrer Bibelarbeit, dass eine Welle von Hass-Botschaften nach ihrem Kommentar gegen Rassismus in den ARD-"Tagesthemen" sie "tiefgreifend erschüttert" habe. "Ich habe meine Unschuld verloren an diesem Tag", sagte Reschke. Inmitten der aufgewühlten Stimmung im Zusammenhang mit der Flüchtlingspolitik 2015 hatte sie in dem Kommentar einen "Aufstand der Anständigen" gegen Fremdenfeindlichkeit gefordert. Sie habe gedacht, die Botschaft, dass die Würde aller Menschen gleich ist, sei tief verankert in der Gesellschaft. Auf bittere Weise habe sie gelernt, dass das nicht so ist.
Der Journalist und Kirchentagspräsident Hans Leyendecker appellierte in seiner gemeinsamen Bibelarbeit mit Reschke zur Geschichte über die Opferung Isaaks an die Verantwortung von Journalisten. Der frühere Investigativ-Journalist sagte, er habe mit seinen Enthüllungen Menschen auch an den Pranger gestellt. Mindestens einmal habe er große Fehler gemacht und Menschen verletzt. Dennoch dürfe das Journalisten nicht davon abhalten, Missstände aufzudecken.
Auch Bundesminister Thomas de Maizière (CDU) erzählte von Gewissenskonflikten. "Ich hatte als Verteidigungsminister und als Innenminister zu entscheiden, Soldaten oder Polizisten in eine gefährliche, ja vielleicht für sie lebensgefährliche Situation zu schicken. Wegen eines politischen Auftrages, zum Schutz von Menschen", sagte de Maizière. Das seien "Entscheidungen, die einen auch nach dem Zeitpunkt der Entscheidung noch lange festhalten", sagte der CDU-Politiker.
Kardinal Reinhard Marx warb in seiner Bibelarbeit dafür, in der Ökumene strittige Fragen wie den Zölibat nicht in den Vordergrund zu stellen. Was beide Kirchen verbinde, sei die Frage, wie die Menschen wieder dafür zu gewinnen seien, über Gott zu sprechen, sagte der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz. "Wir müssen tiefer denken, gemeinsam sprechen von diesem großen Geheimnis, das für die Menschheit so wichtig ist."
Der 37. Deutsche Evangelische Kirchentag mit 118.000 Teilnehmern steht unter dem Leitwort "Was für ein Vertrauen" und dauert bis Sonntag.
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