Dortmund (epd). Der frühere Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) hat zu mehr Widerstand gegen Hassparolen im Internet aufgerufen. Wo immer auch nur im Konjunktiv gedroht werde, müssten Staat und Bürger ihren eigenen kategorischen Imperativ dagegen setzen, sagte Lammert am Donnerstag auf dem evangelischen Kirchentag in Dortmund. In den sogenannten sozialen Medien sei das Unsagbare schon längst sagbar geworden, etwa Sätze wie "Özdemir, du wirst als nächstes brennen". Es müsse gefragt werden, ob es einen Zusammenhang mit der gleichzeitigen Häufung von Attacken auf Politiker gebe, sagte Lammert mit Blick auf die Tötung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU).
Zwar gebe es zwischen verbaler Aggression, einschließlich der Aufforderung zu Gewalt, und effektiven Gewaltaktivitäten einen beachtlichen Unterschied, sagte Lammert weiter. Aber die Strecke dazwischen sei offensichtlich kürzer geworden. Auseinandersetzungen gebe es zunehmend über wütende Kommentare statt mit Argumenten. Nötig sei jedoch eine Streitkultur, in der auch Kompromisse wieder möglich würden.
Auch die Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt rief dazu auf, Kommunalpolitikern, die wegen einer humanen Flüchtlingspolitik angefeindet werden, den Rücken zu stärken. Kommunalpolitiker seien nicht im Fernsehen und hätten nicht den Schutz wie etwa Bundestagsabgeordnete. Kommunalpolitiker wie die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) oder der Altenaer Bürgermeister Andreas Hollstein (CDU), die bereits Opfer von Messer-Attentaten wurden, erhielten erneut Drohungen.
Der aus der früheren Sowjetunion stammende EU-Referatsleiter Sergey Lagodinsky würdigte hingegen auch die Möglichkeiten der Digitalisierung für die Demokratisierung. So seien Jugendliche in seiner Heimat durch das Internet viel besser über Klimawandel und politische Themen informiert als zu seiner Zeit, sagte er.
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