Menschen ertrinken zu lassen, könne keine migrationspolitische Lösung sein. "Niemand käme auf die Idee, einen Unfallfahrer, der unangeschnallt an einen Baum gefahren ist, zur allgemeinen Verkehrserziehung verbluten zu lassen", sagte der Theologe, der auch bayerischer Landesbischof ist.
Zwangsprostitution, Folter und Sklavenarbeit
Es gebe keinen Sog-Effekt. Mittlerweile dürften die Retter kaum noch helfen. Und obwohl die EU-Mission Sophia eingestellt ist, hätten fast 3.000 Menschen in den vergangenen 18 Monaten ihr Leben im Mittelmeer verloren, sagte Bedford-Strohm.
Auch die Rückführung Geretteter an die nordafrikanische Küste lehnte er ab. "Die Menschen auf den Booten kommen aus Lagern in Libyen, in denen grausamste Zustände herrschen, sie sind Zwangsprostitution, Folter und Sklavenarbeit ausgesetzt, um sich das Geld für die Überfahrt zu verdienen." Von "verbrecherischen Schlepperbanden" würden sie dann in Boote gesetzt. "Wenn man diese Menschen wieder der sogenannten libyschen Küstenwache übergibt, beginnt dieses Martyrium von neuem. Das kann keine Lösung sein."
Europäischer Verteilmechanismus
Bedford-Strohm forderte eine neue Diskussion über legale Flucht- und Asylwege. "Es kann nicht sein, dass man ein Asylverfahren nur bekommt, wenn man sich zuvor auf dem Weg nach Europa in Lebensgefahr gebracht hat", sagte der EKD-Ratsvorsitzende. "Wir brauchen einen Verteilmechanismus, der gerettete Menschen in verschiedenen Ländern Europas in Sicherheit bringt. Viele Städte Europas haben ihre Bereitschaft, sie aufzunehmen, bereits erklärt."
Die Seenotrettung im Mittelmeer ist unter Druck geraten, nachdem vor allem Italien Schiffen mit Geretteten die Einfahrt in Häfen verweigert hatte. Wiederholt wurde nach erfolgten Rettungseinsätzen darum gerungen, welches Land die schiffbrüchigen Migranten aufnimmt. Deutschland beteiligte sich regelmäßig an der Aufnahme. Die Bundesregierung konnte sich aber mit ihrer Forderung nach einem gesamteuropäischen Verteilmechanismus im Kreis der EU bislang nicht durchsetzen.
Der EKD-Ratsvorsitzende war Anfang Juni nach Sizilien gereist, um dort die Besatzung des Schiffs "Sea-Watch 3" zu treffen. Die italienische Regierung hatte das Schiff zunächst beschlagnahmt, nachdem die Crew Mitte Mai 65 Menschen aus dem Mittelmeer gerettet hatte und tagelang vor der italienischen Küste auf die Einfahrt in einen Hafen warten musste. Kurz vor dem Besuch des Ratsvorsitzenden war das Schiff von den Behörden freigegeben worden. Bei seinem Besuch auf Sizilien veröffentlichte Bedford-Strohm gemeinsam mit dem Bürgermeister von Palermo, Leoluca Orlando, eine Erklärung. Darin forderten sie unter anderem, dass die Seenotrettung auf dem Mittelmeer eine staatliche Angelegenheit bleiben müsse.