Die "Politisierung der evangelischen Kirche" beschäftige die deutsche Öffentlichkeit seit den 1960er Jahren, "also lange bevor es die AfD gab", sagte Wolffsohn am Mittwoch dem Deutschlandfunk. Kurz vor dem evangelischen Kirchentag in Dortmund hatte eine Gruppe mehrerer AfD-Landtagsfraktionen am Dienstag ein Positionspapier veröffentlicht, das harsche Kritik an der Spitze der evangelischen Kirche übt.
Der Thüringer Fraktionschef Björn Höcke warf der evangelischen Kirche vor, "sich mit dem Zeitgeist ins Bett" zu legen und forderte sie auf, in ihren Positionen "pluralistischer" zu werden. Dazu sagte der EKD-Kulturbeauftragte Johann Hinrich Claussen im Deutschlandfunk, damit werde "ein Zerrbild der kirchlichen Lage gezeichnet".
Kirchentag als eigenständige Organisation
Zur Nicht-Einladung von AfD-Vertretern zum evangelischen Kirchentag in Dortmund sagte Wolffsohn: "So schafft man Märtyrer." Dies sei "ein großartiger Propagandaerfolg", den die AfD der EKD zu verdanken habe oder den Organisatoren des Kirchentags. Man müsse auch mit Anhängern der AfD kommunizieren. Claussen sagte, dass der Ausschluss auch in der EKD "sehr strittig diskutiert" werde: "Ich fand diesen Beschluss auch nicht gut, viele andere auch nicht. Aber da ist der Kirchentag eine eigenständige Organisation." Auf der anderen Seite wolle man aber auch bei solchen großen und wichtigen Veranstaltungen "keine Holocaust-Relativierer auf die Bühne bitten".
Der Umgang mit der AfD und mit AfD-Mitgliedern in christlichen Gemeinden, kirchlichen Gremien und bei Veranstaltung ist nicht einheitlich: Beim Katholikentag 2016 in Leipzig waren AfD-Vertreter von Veranstaltungen explizit ausgeschlossen. Auf dem Deutschen Evangelischen Kirchentag 2017 in Berlin diskutierten der Berliner Bischof Markus Dröge und die damalige Sprecherin der Vereinigung "Christen in der AfD", Anette Schultner. Beim Katholikentag im westfälischen Münster im Mai 2018 gab es ein Podium mit den religionspolitischen Vertretern der Bundestagsparteien, darunter dem kirchenpolitischen Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Volker Münz.