Wie ein Lauffeuer hat es sich herumgesprochen: Im Kirchgarten von Waldsassen in der Oberpfalz steht ein großes rundes weißes Zelt. Dass es sich dabei um eine echte mongolische Jurte handelt, hat auch zum Dorfgespräch beigetragen. Das Zelt aus Ziegen- und Schafwolle im evangelischen Pfarrgarten ist zudem die großzügige Spende eines Gemeindemitglieds. Pfarrerin Stefanie Schön und der Kirchenvorstand haben nicht Nein gesagt. Etwa 10.000 Euro kostet so eine Jurte - gebraucht.
Wie es dazu kam, erzählen Wilhelmine Doll und Hanne Chrobak. Die beiden Frauen sind mit der Idee, eine Jurte als Begegnungsort anzuschaffen, an den Kirchenvorstand herangetreten. Als sie grünes Licht bekamen, forschten sie im Internet nach und wurden in Zesch am See (Spreewald) fündig, wo Delgerbayar Eckhbold Jurten zur Übernachtung anbietet. Von einer seiner Zeltbehausungen hat sich der Mongole nun getrennt und sie in Waldsassen aufgebaut.
Vier Stühle und ein Kreuz
Allein die Details sind einen Blick wert. Die massive Eingangstür ist geschnitzt, in die Pfosten und Dachverstrebungen sind Muster eingraviert, zum Aufbau wurde kein einziger Nagel verwendet, goldschimmernder Stoff bedeckt die Seitenwände aus Scherengitter. Besagte Jurtenwände wurden mit geflochtenen Bändern von der einen Seite des Türrahmens zur anderen verbunden.
"Vorsicht! Kopf einziehen", warnt Wilhelmine Doll. Tatsächlich ist der Türrahmen etwas niedrig. Hat man diesen aber "schadlos" überstanden, verblüfft ein Innenraum von sechs Metern Durchmesser mit einem Runddach in der Mitte. "Hier könnte man tanzen", sagt Doll. Der Fußboden ist aus gefilzter Schaf- und Ziegenwolle. Überhaupt kommen nur Naturmaterialien zum Einsatz, was eine sympathische Wohlfühl-Atmosphäre schaffe.
Die Initiatorinnen sehen in der Jurte einen "außergewöhnlichen Begegnungsort", an dem sie Menschen für den Glauben begeistern wollen. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, wurde eine Arbeitsgemeinschaft (Arge) gegründet. Sie soll sich künftig um Veranstaltungen kümmern. Die Ideen seien nur so gesprudelt, als setze die minimalistische Einrichtung Kreativität frei. Das einzige Inventar sind derzeit vier Stühle und ein Kreuz. Begeistert, erzählen die Frauen, hätten die Kinder die Jurte bei ihrem Konfirmandentreffen angenommen. Mit der Folgeerscheinung, dass sie nun einen ökumenischen Gottesdienst in der Jurte abhalten wollen, erzählt Doll.
Die Jurte hat noch einen Vorteil: Sie kann immer offen stehen, was bei der Kirche, die sich im ersten Stock befindet, nicht der Fall ist, sagt Pfarrerin Schön. Schon jetzt lockt das viele Besucher an, zum Beispiel aus Tirschenreuth, das auch zur Pfarrgemeinde gehört. Seit die Jurte steht, kommen Menschen aus der Kreisstadt zu Besuch in die Klosterstadt. Im Juni soll ein gemeinsames Jurte-Mittagessen die Kontakte der beiden Pfarrgemeinden festigen. Interessenten hätten sich auch schon gemeldet: Eine Heilpraktikerin möchte im Zelt ihre Klangschalen anbieten. Ein Seniorenkreis aus dem Nachbarort will zur Besichtigung kommen, die Frauen des ökumenischen Frauenfrühstücks wollen die Jurte zu Einkehr und Teambesprechungen nutzen.
Grundsätzlich sei jeder eingeladen, zum Reden oder zur Stille, zum Meditieren oder zum Märchenerzählen, Gottesdienst oder einfach nur zum Beisammensein, sagen die Eheleute Doll und Chrobak sowie Renate Schubert von der Arge. Begonnen wird am Sonntag (19. Mai) mit dem Segen Gottes: Um 9.30 Uhr bittet Pfarrerin Schön zum Gottesdienst in den Pfarrgarten. Der Familienchor singt, und es wird zu einer kleinen Feier geladen.