Die "blinden Algorithmen", die durch das häufige Anklicken auch die fürchterlichsten Hassbotschaften im Netz hochspülen, bräuchten als Gegengewicht einen Journalismus des Anstands, der Ausgewogenheit und der umfassenden Recherche, erläuterte der Landesbischof. Die Journalistinnen und Journalisten leisteten täglich und unter nicht einfachen Bedingungen einen unverzichtbaren Beitrag für den demokratischen Diskurs und ein funktionierendes Gemeinwesen.
Der kirchliche Medienpreis 2019 stand unter dem Thema "Wieviel Digitalisierung dient dem Menschen?". In der Kategorie Tageszeitung erhielt Christian Rickens einen mit 2.500 Euro dotierten Preis für seinen im "Handelsblatt" erschienen Beitrag "Dataistisches Manifest". Mit spannenden Thesen und kluger Zusammenschau beschreibe er die angebliche Sinnhaftigkeit von Start-ups, die kein einziges Produkt auf dem Markt haben, sagte die Münchner Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler als Juryvorsitzende in ihrer Laudatio.
Chancen und Risiken der Digitalisierung
Der ebenfalls mit 2.500 Euro dotierte Preis in der Sparte Magazin ging an Laura Meschede für ihren im "SZ-Magazin" publizierten Beitrag "Die Mensch-Maschine". Damit sei der Autorin eine exzellente Recherche über digitale Ausbeutung gelungen, erläuterte Breit-Keßler. Meschede verwies in ihrer Dankesansprache darauf, dass von Künstlicher Intelligenz getriebene Maschinen "gar nicht von alleine handeln, sondern es kommt immer auf die Menschen an, die ihnen das Ziel vorgeben".
Mit zwei Sonderpreisen zu je 1.000 Euro, gestiftet vom Evangelischen Siedlungswerk Bayern, der Evangelischen Bank und dem Evangelischen Presseverband für Bayern (EPV), wurden Serien in den Tageszeitungen "Main Echo" (Aschaffenburg) und den "Nürnberger Nachrichten" bedacht. Ihnen sei es gelungen, wochenlang mit Neuigkeiten aufzuwarten, die das Alltagsleben komplett verändern, begründete Breit-Keßler die Entscheidung der Jury.
Wie EPV-Direktor Roland Gertz erläuterte, bringen beide Serien sachlich-fundiert und ausgewogen die Chancen und Risiken der Digitalisierung, ohne in Euphorie zu verfallen oder Ängste zu schüren. In den gut lesbaren Stücken der Serien würden die Möglichkeiten und Auswirkungen der Digitalisierung mit professionellem Journalismus lebensnah und ganz konkret auf die jeweilige Region bezogen.
Schrumpfungsprozessen entgegenwirken
Im Rahmen des Medienpreises, der bereits zum siebten Mal ausgeschrieben wurde, hat die Landeskirche erstmals einen eigenen Nachwuchspreis zu einem frei gewählten Thema ausgelobt. Die vier mit jeweils 1.000 Euro dotierten Preise gingen an Christopher Bonnen (Deutsche Journalistenschule) für seinen in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" erschienen Beitrag "Der Kaiser von Coupon", Sofie Czilwik (Evangelische Journalistenschule) für "Das muss echte Liebe sein" (Magazin "Einsichten 17"), Luisa Hommerich (Henri-Nannen-Schule) für ihren in der "ZEIT" publizierten Beitrag "Dann heben sie die Faust" und Claudio Rizello (Henri-Nannen-Schule) für seinen Beitrag "Nächster Gang", der im "Spiegel" veröffentlicht wurde. Alle Beiträge regen laut Breit-Keßler nicht nur zum Nachdenken an, sondern sprechen auch die Emotionen der Leser an.
Der frühere Münchner Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) sagte in seinem Grußwort humorvoll: "Journalismus und Kirche - was schrumpft, muss sich wechselseitig unterstützen." Auch für die Parteien säßen mit in diesem Boot. Es gelte, diesem Schrumpfungsprozess "intelligent entgegenzuwirken". Er würdigte in seiner Ansprache Breit-Keßler, die im Herbst als Regionalbischöfin für München und Oberbayern in den Ruhestand geht.
Nach ihrem Volontariat bei der "Süddeutschen Zeitung" und einer Korrespondentenstelle beim Bayerischen Rundfunk (BR) sei Breit-Keßler breit journalistisch tätig gewesen, sagte Ude. Er verwies auch auf die von ihr verfassten Bücher, die mit Titeln wie "Lustvoll leben", "Lust und Last der späten Jahre" und "Stay wild statt Burn out" zahlreiche Fans hätten. Sie vermittelten eine Lebensfreude, die für die evangelische Kirche unverzichtbar sei.
Udes Ansicht nach ist die Preisverleihung ein "Versuch, in der Krise der Medien wie auch der Kirchen und Parteien die Qualität zu fördern". Die Pflege guter Beziehungen zu den Medien sei nicht anrüchig oder wohlfeil, sondern "bitter notwendig". Aus früherer pauschaler Hörigkeit gegenüber den Medien sei bei vielen Menschen heute pauschale Ablehnung und Verdächtigung geworden. Dabei sei die Demokratie angewiesen auf kritische Medien. Der Kirche sei es gelungen, mit ihrem Preis "Qualitätsjournalismus, der uns kritisch begleitet, zu fördern".