Sollen Kreuze im Klassenzimmer hängen oder nicht? Das wollten der evangelische Pfarrer Thomas Klenner und sein katholischer Kollege Christian Kronthaler von vier 10. Klassen wissen, in denen sie Religionsunterricht geben. "Aufkreuzen" nannten sie ihr österliches Projekt, das in der Passionszeit am Gymnasium Lappersdorf, einem Vorort von Regensburg, erarbeitet wurde. Gerade junge Erwachsene, die der Kirche und dem Glauben oft kritisch gegenüberstehen, sollten mit dem Projekt angesprochen werden, erklärten die Lehrer.
In jeder Ecke der großen Aula wuselt eine andere Kleingruppe herum. 80 Schüler aus vier 10. Klassen hämmern und zimmern an ihren Objekten. Max klebt gerade bunte Papierstreifen in Kreuzform auf ein Brett, das wie ein Handy-Display aussieht. Verschiedene Unterhaltungs-Apps sind darauf zu erkennen. "Dadurch wirkt das Kreuz deutlich moderner und junge Leute können sich besser damit identifizieren", sagt der 15-Jährige. Den Link zum Glauben erklärt Max auch: "Der Glaube kann verbinden, das Handy auch, mit Freunden zum Beispiel. Und Kommunikation und Zusammenhalt in einer sozialen Gesellschaft sind wichtig."
Toleranz und Transparenz
Den Jugendlichen macht es sichtlich Spaß, kreativ zu sein, sich auszuprobieren und die alten christlichen Symbole mit neuem Leben zu füllen. Entstanden sind nicht immer nur Kreuze, sondern auch Mahnmale und Aufforderungszeichen. Eine Gruppe hat eine runde Holzscheibe ausgeschnitten. In grüner und blauer Farbe sind darauf die Erde und die fünf Kontinente zu erkennen.
Unten hängen verschiedene Figuren dran, die Menschen darstellen. "Behandle andere so, wie du selbst behandelt werden willst", die als Goldene Regel bekannte Sentenz wollen die Schüler oben auf ihr Mahnmal kleben. Sie hätten sich bewusst gegen ein Kreuz entschieden. "Wir wollten das nicht für eine Religion allein machen, sondern für alle Religionen, damit sich auch alle darauf beziehen können", erklärt Paul.
Unterdessen umwickeln Anne und Sarah ein Holzkreuz mit Wolle aus Regenbogenfarben, "weil es bei uns um Toleranz geht", sagt Sarah. "Unser Motto lautet 'Toleranz verleiht Flügel'." Sie wollen noch eine Puppe aus Stoff mit Flügeln dazunähen. "Unsere Botschaft soll sein, dass wir dem Himmel ein Stück näher kommen, indem wir tolerieren und von anderen toleriert werden." Neben ihnen arbeitet eine Gruppe junger Burschen. Sie haben ein Kupferkreuz gestaltet und es mit Transparentpapier überklebt. Der Gedanke dahinter: "Macht die Kirche transparenter. Damit zum Beispiel auch Frauen als Priesterinnen zugelassen werden und der Zölibat abgeschafft wird", erklärt Jonas.
Das Kreuz ist den meisten wichtig
Kreativer, individueller, ja unterschiedlicher könnten die Arbeiten nicht sein, die die Schüler entwickelt haben. "Es sind wunderschöne, sinnvolle Bilder herausgekommen", sagt Religionslehrerin Monika Hubert. "Das Erstaunliche war, dass über 80 Prozent der Zehntklässler gesagt haben: Wir brauchen die Kreuze", sagt Pfarrer Thomas Klenner. Ähnlich überrascht zeigt sich auch sein katholischer Kollege: "Ich hätte eher erwartet, dass die Jugendlichen sich dagegen entscheiden würden", sagt Christian Kronthaler. Perplex sei er auch gewesen, dass es nicht bei einer Aufforderung zum ethischen Handeln geblieben sei. Das habe es zwar auch gegeben, wie ein Upcycling-Kreuz aus Müll- und Plastikresten in Anlehnung an die "Fridays for Future"-Demonstrationen zeigt. Aber größtenteils sei es um "Hoffnung, Zuversicht und Kraft" gegangen, die mit dem Kreuz verbunden würden, führt Klenner an: "Wenn wir die Schüler sich selbst ausdrücken lassen, dann sind diese weit religiöser als wir alle glauben."
Vor Ostern wurden die Kreuze, Mahnmale und Aufforderungszeichen nun bei einer Segnungsfeier zusammen mit den Lehrern und Eltern gewürdigt. Und demnächst soll im Pausenpark der Schule auch das große Lattenkreuz installiert werden, das die Schüler mit vielfarbigen Handabdrucken geschmückt haben. Beim Transport des Materials und beim Aufstellen sollen sogar die Eltern geholfen haben.