Das Bundesverfassungsgericht hat am 16. April über das Verbot organisierter Sterbehilfe verhandelt. Dies sei ein "hoch emotionales und seit jeher kontrovers behandeltes Thema", das mit existenziellen ethischen, moralischen und religiösen Überzeugungen verknüpft sei, sagte Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle zum Auftakt der Verhandlung. Er betonte, dass es nicht um eine moralische oder politische Beurteilung der Selbsttötung gehe, sondern ausschließlich um die Verfassungsmäßigkeit einer konkreten Strafrechtsnorm.
Verhandelt werden sechs Verfassungsbeschwerden, die sich gegen Paragraf 217 des Strafgesetzbuchs richten, der die "geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung" unter Strafe stellt. Sterbehilfe-Vereine, Einzelpersonen und Ärzte haben geklagt, weil sie dadurch im Grundgesetz zugesicherte Rechte wie die Berufsfreiheit oder das Persönlichkeitsrecht verletzt sehen (AZ: 2 BvR 2347/15 u.a.). Zu den Klägern gehören auch schwer erkrankte Personen, die ihr Leben mit Hilfe eines Sterbehilfe-Vereins beenden möchten. Sie sehen ihr Recht auf selbstbestimmtes Sterben verletzt.
"Das Recht auf Leben begründet keine Pflicht zum Leben", sagte Wolfgang Putz für die beschwerdeführenden Ärzte. Er bezeichnete das Recht auf Suizid als ein Grundrecht. Der Strafrechtsparagraf hindere Menschen nicht daran, sich das Leben zu nehmen, sagte Anwalt Bernd Hecker als Vertreter der Sterbehilfevereine. Durch das Verbot der organisierten Sterbehilfe könnten sie aber nicht im Bett sterben, sondern müssten zu drastischeren Maßnahmen greifen.
Hilfe beim Sterben, nicht zum Sterben
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, plädierte im NDR-Hörfunk dafür, "dass wir kein Leben aktiv beenden". Er sprach sich für weitere Verbesserungen in der Palliativversorgung aus. Entscheidend sei, wie Menschen begleitet werden und "Ärzte dafür sorgen, dass Menschen ohne Schmerzen sterben". Dies müsse überall zugänglich sein, sagte der bayerische Landesbischof. Auch der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, verteidigte das Gesetz. Ein Arzt überschreite eine Grenze, wenn er seinem Patienten durch die aktive Tötung oder durch Zurverfügungstellung eines Medikaments direkt zum Tod hilft, sagte er dem RBB-Hörfunk.
Dem Gesetzgeber gehe es darum, dass jeder Mensch in Würde sterben kann, sagte die Bundestagsabgeordnete Kerstin Griese (SPD). "Es geht uns um Hilfe beim Sterben, nicht um Hilfe zum Sterben." Der Wunsch nach dem Suizid sei in den meisten Fällen ambivalent und nicht der Ruf nach dem Tod, sondern nach Hilfe. Eine sorgende Gesellschaft biete eine gut ausgebauten Hospiz- und Palliativversorgung.
An der Verhandlung werde sich zeigen, wie es in Deutschland mit der Lebens- und Sterbekultur weitergeht, sagte der Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, Peter Dabrock. Es gehe um viele existenzielle Schicksale, und darum, ob die Gesellschaft genug getan habe, "Suizid nicht als eine normale Option des Sterbens neben anderen zu sehen". Es gehe auch um das Verständnis des ärztlichen Berufsstandes und die Frage, was ein guter Arzt in der Sterbephase tun und lassen soll.
Im Dezember 2015 war ein gesetzliches Verbot der "geschäftsmäßigen Sterbehilfe" in Kraft getreten. Nach dem neuen Paragrafen 217 des Strafgesetzbuchs macht sich strafbar, "wer in der Absicht, die Selbsttötung eines anderen zu fördern, diesem hierzu geschäftsmäßig die Gelegenheit gewährt, verschafft oder vermittelt".