Vor dem Tod gemeinsam lachen und weinen

Patricia Philippi von den Maltersern
epd-bild/Renate Haller
Patricia Philippi ist IT-Spezialistin und hat beim Malteser Hilfsdienst in Frankfurt einen Sterbebegleiter-Kurs besucht.
Ausbildung Sterbebegleiter
Vor dem Tod gemeinsam lachen und weinen
Sie hören zu, begleiten bei einem Spaziergang oder sind einfach nur da: Sterbebegleiterinnen oder -begleiter, die für dieses Ehrenamt eine Ausbildung absolvieren.

Der alte Herr war unruhig. "Eine Pflegekraft bat mich, mal nach ihm zu schauen", erzählt Regina Matthews. Als sie bei ihm war, habe er etwas unfreundlich mit seiner Frau telefoniert. "Ich habe gespürt, dass er Angst hatte", sagt Matthews. Deshalb fragte sie ihn, ob er ihre Hand halten wolle. "Er antwortete nicht, zögerte kurz und griff dann einfach zu." Langsam entwickelte sich "ein sehr freundliches, zum Teil heiteres Gespräch", erinnert sich die Ehrenamtliche. Als die Ehefrau kam, habe er ihr freudig entgegengelächelt.

Matthews arbeitet im Evangelischen Hospiz Frankfurt am Main. Zuvor hat sie eine Ausbildung zur Sterbebegleitung und im Hospiz ein Praktikum gemacht. Sie war so begeistert, dass sie dort seit inzwischen drei Jahren wöchentlich am Empfang hilft. Die Ehrenamtliche kommt mit Patienten oder deren Angehörigen ins Gespräch. Sie reagiere auf das, "was gerade gebraucht wird", sagt sie und fügt hinzu: "Wir lachen viel gemeinsam, aber es fließen auch mal Tränen."

Einmal hatte die 67-Jährige Kontakt zu einer Angehörigen, der es schwerfiel, den langsamen Sterbeprozess ihres Mannes zu erleben. "Ich habe ihr eine Umarmung angeboten", sagt Matthews. Nach der Umarmung habe sich ein Gespräch entwickelt, bei dem auch der Tod ein Thema war. "Ich biete immer nur etwas an", betont Matthews, die bereits seit drei Jahren beim Empfang mithilft.

Regina Matthews arbeitet im Evangelischen Hospiz Frankfurt am Main. Seit drei Jahren hilft sie wöchentlich am Empfang aus.

Niemandem dürfe etwas "übergestülpt" werden, sagt auch Pfarrerin Renata Kiworr-Ruppenthal. Bei der Sterbebegleitung gehe es "um die Begleitung von Menschen, die mit der eigenen Endlichkeit konfrontiert sind und sich damit ganz individuell auseinandersetzen", erklärt das Vorstandsmitglied der Arbeitsgemeinschaft Hospiz der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. In dieser Lebensphase seien die Sterbebegleiterinnen und -begleiter da. Sie wüssten umzugehen mit Angst und seelischem Schmerz oder dem Gefühl der Überforderung, wenn jemand sich alleingelassen fühlt. Sich auf Menschen einlassen, ihnen wertfrei begegnen und dabei die eigenen Ressourcen und Grenzen richtig einschätzen, beschreibt Kiworr-Ruppenthal als Voraussetzung dafür, ehrenamtlich Sterbende begleiten zu können.

Die Ausbildung umfasse 100 Stunden, sagt die Klinikseelsorgerin, die hauptberuflich auch Vorsitzende des Ökumenischen Hospiz-Dienstes Rheingau ist. Während der Ausbildung gehe es unter anderem um Rituale und die eigene Spiritualität, um Weltreligionen und Kommunikation und auch um Team- und Kritikfähigkeit.

Patricia Philippi hat beim Malteser Hilfsdienst in Frankfurt einen solchen Kurs besucht und arbeitet ehrenamtlich für den ambulanten Hospizdienst. Sie hat in den vergangenen zwei Jahren mehrfach an fremden Türen geklingelt und dahinter viele Lebensgeschichten gehört. Eigentlich fühle sie sich "wie eine Gesellschafterin", sagt die IT-Spezialistin. Auch wenn prinzipiell Kartenspiele, Ausflüge oder anderes möglich sei, waren es in ihrem Fall bisher Gespräche oder - wenn sich jemand nicht mehr artikulieren konnte - "einfach da sein".
Kranke erzählten ihre Lebensgeschichte oder von Dingen, die für sie noch ungeklärt geblieben sind. Angehörige freuen sich über eine kurze Auszeit oder erzählen selbst von der Situation, in der sie sich gerade befinden.

Unterschiede in der Begleitung sind sehr groß

Über den Tod, sagt die 49-Jährige, hat sie noch mit keiner der von ihr begleiteten Personen gesprochen. Die Unterschiede in der Begleitung seien sehr groß, sagt Christine Höllwarth, hauptamtliche Koordinatorin im ambulanten Hospizdienst der Malteser. So verschieden wie die Menschen seien auch deren letzte Lebensphasen. Es gebe Menschen, die gerade mit den Ehrenamtlichen über den Tod sprechen wollen, weil sie es mit ihren Angehörigen nicht können. "Die Kinder winken oft ab und sagen, ‚Mama, wir müssen doch nicht über das Sterben sprechen‘", erzählt Höllwarth.

"Wir bieten Beziehungen an", sagt Höllwarth. Beziehungen zu den begleiteten Menschen und auch zwischen den Ehrenamtlichen, die sich nach der Ausbildung weiterhin treffen und in festen Gruppen Supervision in Anspruch nehmen können. Dort sei Raum für Austausch. Die Ausbildungskurse seien von Frauen und Männern gut besucht. Viele kämen mit Blick auf den eigenen Ruhestand, in dem sie sich engagieren wollen, fügt die Koordinatorin hinzu.
Regina Matthews erinnert sich gerne an den alten Herrn, der sich in ihrer Gegenwart beruhigen und schließlich auf seine Frau freuen konnte. "Das war ein so schöner Moment, den werde ich nie vergessen."