Religionsunterricht spielt nach Ansicht des Bankers Martin Schöner eine wichtige Rolle bei der Persönlichkeitsbildung. "Wie man Wertpapiergeschäfte abwickelt, das können wir Jugendlichen beibringen. Aber sich Gedanken zu machen und sich um andere zu kümmern - das lernen sie im Religionsunterricht", sagte der Vorstand der Volksbank Enzkreis am Donnerstagabend bei einer Podiumsdiskussion zum Thema "Religionsunterricht" vor der in Bad Herrenalb (Kreis Calw) tagenden Synode der Evangelischen Landeskirche in Baden. Die Wirtschaft brauche Menschen mit Persönlichkeit.
Es sei ein Irrglaube, dass junge Menschen ihren Weg alleine finden könnten. In den Medien lernten sie etwa, vor allem auf ihren eigenen Vorteil zu achten. "Wir dürfen es nicht dem Zufall überlassen, welche Werte und Normen sie entwickeln", sagte Schöner. Religionsunterricht sei dafür sehr wichtig.
Die Zukunft des Religionsunterrichts wird nach Ansicht des badischen Oberkirchenrats Christoph Schneider-Harpprecht konfessionell-kooperativ sein. "Das Modell wird Schule machen, wobei es in den einzelnen Bundesländern, je nach Bevölkerungsstruktur, unterschiedliche Modelle geben wird", sagte der für das Referat "Erziehung und Bildung" zuständige Oberkirchenrat. Beim konfessionell-kooperativen Religionsunterricht entwickeln katholische und evangelische Lehrkräfte einen gemeinsamen Lehrplan oder betreuen die Schüler abwechselnd.
In Bundesländern wie beispielsweise Hamburg, in denen viele Schüler einen anderen Glauben haben, werde es wohl Kooperationen der verschiedenen Religionen gebe. "Das muss sich entwickeln", sagte Schneider-Harpprecht. In Bundesländern mit überwiegend christlichen Schülern, wie etwa Baden-Württemberg, würden solche großen Kooperationen wohl weniger nachgefragt sein. "Bei bestimmten Themen werden sich aber hoffentlich trotzdem katholische, evangelische und muslimische Lehrkräfte sowie die Ethik-Lehrer austauschen", sagte er. Die vier großen Kirchen im Südwesten erteilen bereits seit 2005 an mehr als 500 Schulen konfessionell-kooperativen Religionsunterricht.
Der Oberkirchenrat ist nach eigenen Worten "ziemlich optimistisch", dass die Gesellschaft den Sinn von Religionsunterricht weiterhin erkenne. Ziel des Unterrichts müsse es sein, mündige Christen zu erziehen, die sich ein eigenes Urteil bilden und auf Basis dieser Erziehung Werte wie "Ehrlichkeit", "Nächstenliebe" und Vertrauen schaffen" entwickeln könnten. "Das kommt dann der Gesellschaft zugute", sagte Schneider-Harpprecht.
Klaus Lorenz vom baden-württembergischen Kultusministerium sagte, dass nicht alleine die Schulen für Werte- und Normenbildung sowie religiöse Bildung zuständig seien. "Dass zahlreiche Jugendliche religiös ungebildet sind, können nicht alleine die Schulen auffangen", betonte er. Die Großeltern-Generation habe schon der jetzigen Eltern-Generation zu wenig Wissen vermittelt. "Wir alle, Staat, Betriebe, Kirche, Schule, Dorfgemeinschaften und Familien müssen dabei sein", unterstrich Lorenz.
Die Ettlinger Schulleiterin Susanne Stephan argumentierte, dass der Religionsunterricht heute eine gesellschaftliche Lücke fülle. "Früher hatten die Kinder mit ihren Eltern und Großeltern ein Modell dafür, wie christlicher Glaube gelebt wird", erklärte sie. Heute könnten viele Kinder das nur über den Religionsunterricht lernen. Daher lehne sie auch Alternativen wie "Religionskunde" ab. "Die Kinder müssen zunächst ein Bild von ihrer Religion im Kopf aufbauen", sagte sie. Erst wenn sie ein Verständnis der Strukturen hätten, seien sie fähig, sich über andere Religionen auszutauschen.