Am Landgericht Dessau-Roßlau hat am 4. April die Verhandlung über eine mögliche Entfernung der antisemitischen Schmähplastik "Judensau" an der Fassade der Stadtkirche in Lutherstadt Wittenberg begonnen. Nach Auskunft eines Gerichtssprechers sollte zunächst der Sachstand erörtert werden. Ein Urteil oder eine Entscheidung des Gerichts zum weiteren Verfahren wird erst in den kommenden Wochen erwartet. Zum Prozessauftakt waren der Kläger Michael Düllmann mit seinem Anwalt Hubertus Benecke sowie für die Gemeinde Pfarrer Johannes Block und der Vorsitzende des Gemeindekirchenrats, Jörg Bielig, erschienen.
Erstes Verfahren im Mai 2018
Der jüdische Kläger aus Berlin fordert die Feststellung, dass das Sandsteinrelief eine Beleidigung darstellt und abgehängt werden muss. Die evangelische Stadtkirchengemeinde argumentiert dagegen, eine Bodenplatte vor der Kirche sowie eine Stele mit Erklärtexten ordneten die Plastik bereits seit Jahren in ausreichender Weise historisch ein. Geschichtsvermittlung gelinge am eindrücklichsten am authentischen Ort, erklärte die Gemeinde. Kritiker argumentieren indes, der verhöhnende Charakter der Plastik bleibe trotz dieser Einordnungen erhalten.
Das Sandsteinrelief entstand vor gut 700 Jahren im Mittelalter und zeigt eine Sau, an deren Zitzen sich Menschen laben, die Juden darstellen sollen. Ein Rabbiner blickt dem Tier unter den Schwanz und in den After. Darüber prangt der Schriftzug "Rabini Schem HaMphoras", ein hebräischer Verweis auf den unaussprechlichen Namen Gottes bei den Juden.
Ein erstes Verfahren zur Entfernung der Plastik vor dem Amtsgericht Wittenberg war im Mai 2018 kurz nach Beginn beendet worden. Das Gericht erklärte sich für nicht zuständig und verwies Düllmanns Klage an die nächsthöhere Instanz. Grund war der zu hohe Streitwert von mehr als 10.000 Euro, sollte das Relief entfernt werden müssen.