Ist denn jeder Prozess an den Sondergerichten und dem Volksgerichtshof der Willkür-Justiz der Nazis in wildes Geschrei ausgeartet?
Björn Mensing: Die gesamte Justiz war im Dritten Reich gleichgeschaltet. Es wurde nicht mehr nach Recht und Gesetz verhandelt. Aber man versuchte mit der Form der Verhandlung meist noch den Schein zu wahren. Wüste Beschimpfungen waren typisch für den Präsidenten des Volksgerichtshofs Roland Freisler. Wie sich Richter Rudolf Oeschey vom Sondergericht beim Landgericht Nürnberg-Fürth gegen von Praun verhielt, hat ein Pfarrer, der den Prozess beobachtete, 1947 eindrucksvoll geschildert. Der Richter habe den Verteidiger angeschrien, als der versuchte, Entlastendes vorzubringen. Seine Worte gegen ihn und von Praun waren erniedrigend und gehässig.
Hat sich die Kirche für den Leiter ihrer Landeskirchenstelle eingesetzt?
Mensing: Die Kirchenleitung hat Anteil genommen an dem Verfahren gegen von Praun, das ja bereits 1943 einsetzte. Aber Landesbischof Meiser hätte ein starkes Zeichen setzen können, wenn er von Praun in den sechs Monaten seiner Haft besucht hätte. Das tat er aber nicht, obwohl von Praun selbst sich immer kategorisch hinter Meiser gestellt hatte. Als der Prozess an den Volksgerichtshof verlegt wurde, hat die Landeskirche nicht interveniert - jedenfalls ist dazu nichts überliefert.
Ist Friedrich von Praun der Einzige in der evangelischen Landeskirche gewesen, der sich traute, gegen das Naziregime den Mund aufzumachen?
Mensing: Er ist jedenfalls der einzige aus der Pfarrer- und Beamtenschaft der Kirche, der wegen seiner kritischen Äußerungen sein Leben verlor. Zwei evangelische Pfarrer haben die KZ-Haft überlebt, Karl Steinbauer und Wolfgang Niederstraßer. Es gab aber noch einen Angestellten der bayerischen Landeskirche, der kaum im Blick ist: Martin Gauger arbeitete für den Lutherrat in Berlin. Er wurde aus dem Kirchendienst entlassen, als er erst versucht hatte, sich das Leben zu nehmen, und dann geflohen war, um dem Kriegsdienst zu entgehen. Er wurde verhaftet, ins KZ verschleppt und dort, schwer erkrankt, als "unnützer Esser" zur Vergasung selektiert. Auch die Münchnerin Elisabeth Braun, die rassisch Verfolgte bei sich aufgenommen hatte, wurde wegen ihrer eigenen jüdischen Herkunft von den Nazis ermordet.
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