Als Russlands Patriarch Kyrill vor kurzem seinen langjährigen Vertrauten, den Metropoliten von St. Petersburg und Ladoga, aus seiner Funktion als Hauptverwalter des Moskauer Patriarchats entließ, war die Überraschung groß. Kyrill hatte, kaum war er Patriarch geworden, Warsonofi im Jahr 2009 aus der Provinz auf den Posten geholt. Nun wurde er in einer eilig herbeigerufenen Synode seines Amtes enthoben.
Der 63-jährige Warsonofi kümmerte sich um die Organisation von Treffen und Reisen Kyrills und war auch für die Revision zuständig. Er hielt Kyrill den Rücken frei. Seinen Posten übernimmt nun der erst 38-jährige Metropolit Sawwa von Twer.
Vertikale der Macht
Dieser Vorgang ist symptomatisch für jüngste Personalstrategie in der russisch-orthodoxen Kirche. Damit hat Kyrill mit einem Umbau der Kirchenverwaltung seine eigene "Vertikale der Macht" geschaffen. Er orientiert damit sich am zentralen Element des politischen Systems unter dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. "Die Schlüsselrolle in Kyrills Pyramide spielen kaum mehr erfahrene Charismatiker, sondern vielmehr kompetente Managertypen", sagte der russische Religionswissenschaftler Konstantin Michajlow russischen Medien.
Die Vorgänge in der Russischen Orthodoxen Kirche (ROK) - mit ihren mehr als 100 Millionen Gläubigen die größte aller orthodoxen Kirchen - sind oft sehr intransparent. Der Grund für Warsonofis Kündigung ist nicht bekannt. Seine bisherige Funktion gilt als aussichtsreich für das höchste Amt innerhalb der russisch-orthodoxen Kirche. Auch Kyrill und seine Vorgänger Alexij und Pimen hatten diese inne.
Metropolit Sawwa von Twer ist nicht der einzige Jüngere im Team. Der für die Finanzen zuständige Metropolit Mark von Rjasan macht seinen Posten frei für den 42-jährigen Metropoliten Ignati von Wologda. Der 34-jährige Erzbischof Antoni, zuständig für die Verwaltung von Auslandskirchen im Moskauer Patriarchat, wartet dagegen noch auf seinen Einsatz.
Beobachter sehen in ihm den Nachfolger für den smarten Strippenzieher, den Metropoliten Hilarion. Dem 52-jährigen Leiter des Außenamts der ROK wirft der strengkonservative Kyrill die "Niederlage in der Ukraine" vor. Durch die Schaffung einer eigenständigen orthodoxen Kirche im Nachbarland droht die russisch-orthodoxe Kirche, viele Gläubige und Gotteshäuser in der Ukraine zu verlieren. Zudem hat sie auch die Zusammenarbeit mit dem Patriarchat von Konstantinopel beendet und isoliert sich zunehmend.
Für traditionelle Werte und Normen
Der ökumenische Patriarch Bartholomäus von Konstantinopel ist das informelle Oberhaupt der orthodoxen Kirchen und zählt zu Kyrills Gegenspielern innerhalb der Orthodoxie. Russlands Patriarch kümmert sich wenig um die Ökumene. Auch im Umgang mit Homosexualität und Gleichberechtigung von Frauen setzt sich Kyrill vehement für traditionelle Werte und Normen ein. Liberale Positionen sind ihm fremd.
Wie auch Putin, der immer mehr angepasste Spitzenbeamte in Führungspositionen einsetzt, sichert sich Kyrill mit jungen loyalen Untergebenen seine Macht. "Der Patriarch hat sein System so aufgebaut, dass er Kirchenverwalter unterschiedlicher Ebenen jederzeit in Ruhe auswechseln kann, ohne Rücksicht auf jegliche Einflussgruppen innerhalb der Struktur nehmen zu müssen", sagte Religionswissenschaftler Michajlow.
Einer aber widersetzt sich Kyrill. Der 83-jährige Juwenali ist seit Breschnew-Zeiten auf hohen Posten in der Russischen Orthodoxen Kirche. Seit 1977 hält er sich zudem als Metropolit von Krutizy und Kolomna, Russlands größter Kirchengemeinde. Der Geistliche weigert sich seit bald zehn Jahren, Teile der von Kyrill angestoßenen Kirchenreform umzusetzen. Diese sieht unter anderem vor, aus den ehemals großen Diözesen kleine Verwaltungseinheiten zu schaffen. Die Region Moskau, die Juwenali unterstellt ist, ist mittlerweile die einzige in Russland, die nicht unterteilt ist.