Für ihre Verdienste um den Dialog zwischen Religion und Gesellschaft hat die westfälische Präses Annette Kurschus am Montag die Ehrendoktorwürde der Universität Münster erhalten. Mit ihrer öffentlichen Redekunst stärke die 55-jährige Theologin, die stellvertretende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist, die gesellschaftliche Relevanz des Christentums, erklärte die Evangelisch-Theologische Fakultät zur Begründung. Kurschus selbst warb dafür, mitten in der säkularen Welt von Gott zu reden.
Kurschus sei eine begnadete Predigerin und nehme beherzt Stellung zu Fragen des politischen und gesellschaftlichen Lebens, sagte Universitätsprediger Traugott Roser laut Redetext in seiner Laudatio. Sie wolle Menschen stärken und zum Nachdenken bringen und habe "die Fähigkeit, von Gott und der Welt so zu reden, dass die Menschen ihr zuhören und es ihr abnehmen". Ihre Sprache erreiche und berühre die Menschen in Andachten und Gottesdiensten, aber auch in Zeitschriftenbeiträgen und bei Radio- und Fernsehproduktionen.
Unvergessliche Ansprache
Roser erinnerte an den Gottesdienst für die 150 Opfer des Germanwings-Absturzes im Frühjahr 2015 im Kölner Dom. Kurschus habe eine unvergessliche Ansprache gehalten, die heute in Lehrveranstaltungen eingesetzt werde, sagte der Professor. Mit ihren regelmäßigen Kolumnen für die evangelischen Zeitschriften "Chrismon" und "Zeitzeichen", deren Mitherausgeberin sie ist, erweise sich Kurschus zudem als herausragende Vertreterin christlicher Publizistik. Sie sei eine "Lehrerin der öffentlichen Rede über die Religion".
Der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm gratulierte in Hannover seiner Stellvertreterin und würdigte sie als eine Meisterin des Wortes in der Vermittlung biblischer Inhalte und ihrer Konsequenzen für das Leben. "Mit ihren brillanten Predigten und Andachten berührt sie immer wieder viele Menschen, mich eingeschlossen", erklärte der bayerische Landesbischof. In Kurschus' Stellungnahmen werde deutlich, dass es ihr dabei zuallererst um geistliche Anliegen gehe. "Darin ist sie für mich eine öffentliche Theologin im besten Sinne", sagte Bedford-Strohm.
In ihrer Dankesrede machte sich Kurschus für eine "öffentliche Theologie" stark, die mitten in der Welt von Gott redet und biblische Begriffe wie Vergebung, Trost, Schuld, Gnade, Barmherzigkeit nicht meidet. "Wir brauchen die heilsame Störung der allgemein-banalen Geschwätzigkeit in unseren Medien nötiger denn je, damit sich ein Zuwachs an Mut ereignen kann für unser tägliches Leben", sagte die leitende Theologin der Evangelischen Kirche von Westfalen, mit rund 2,2 Millionen Mitgliedern die viertgrößte der 20 evangelischen Landeskirchen in Deutschland.
Die Theologen müssten vor allem "das Leben und die Welt für die Transzendenz offen halten", sagte Kurschus laut Redetext. Sie selbst habe "Zutrauen ins Unglaubliche": "Das gründet, trägt und inspiriert alles kirchenleitende Handeln, das mir von Amts wegen aufgetragen ist." In Ausnahmesituation wie nach dem Germanwings-Absturz zeige sich, welch ein Segen die kirchlichen Formen und Rituale seien. Die Bilder, Gesten, Bibeltexte und Musikklänge könnten helfen, das Geschehene auszuhalten.
Die frühere Siegener Superintendentin Kurschus steht seit 2012 als erste Frau an der Spitze der westfälischen Kirche. Seit 2015 ist sie auch stellvertretende EKD-Ratsvorsitzende. Außerdem ist Kurschus Aufsichtsratsvorsitzende der Deutschen Bibelgesellschaft. Vor ihr hatte zuletzt 2017 Altbundespräsident Joachim Gauck die theologische Ehrendoktorwürde der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster erhalten.