Seit 15 Jahren bietet das Spirituelle Zentrum St. Martin Meditationskurse, Übungsstunden und Seminare für Menschen, die nach einem Ruhepol im hektischen Alltag suchen. Die Angebote reichen vom altchristlichen Herzensgebet und Schweigemeditationen bis hin zu Zen-Seminaren. Offenheit ist ein Markenzeichen von St. Martin: Zu den Gästen gehören Kirchgänger genauso wie Menschen, die mit Kirche schon lange nichts mehr zu tun haben.
Vor einem guten Jahr hat Hanns-Hinrich Sierck die Leitung des Zentrums von Gründungspfarrer Andreas Ebert übernommen. Seither hat sich das Angebot von St. Martin um zwei Schwerpunkte erweitert: den Themenkomplex "Heilung zum Leben" und Meditationsangebote für Kinder. Sierck selbst hat vor vielen Jahren nach einem Krebsverdacht zur Meditation gefunden. Er wolle deshalb Menschen einen Weg aufzeigen, auf dem sie selbst Heilserfahrungen machen könnten.
Neben christlichen Meditationswegen wie dem Herzensgebet bietet das Spirituelle Zentrum Übungen aus der orthodoxen oder fernöstlichen Spiritualität an. Das Zentrum wurde 2004 von der bayerischen Landeskirche eingerichtet und befindet sich seit 2007 in Trägerschaft des Vereins St. Martin. Außerdem bietet St. Martin einige Schlafplätze für Jakobspilgern.
Generell sei die Nachfrage nach spirituellen Angeboten hoch. "Die Menschen suchen im Strudel dieser Zeit nach Ruhepunkten", sagt Sierck. Weil sich viele die nötigen Pausen nicht gönnen könnten, seien Angebote wie die des Spirituellen Zentrums wichtig. "Was man sich selbst daheim nicht zugesteht, findet man dann eben bei einem Seminar", sagt der 59-Jährige, der auch Beauftragter der Landeskirche für Geistliche Übung in Südbayern ist.
Über 3.000 Besucher verzeichnet St. Martin im Jahr. Ganz neu dabei ist die noch kleine Gruppe der Grundschulkinder, für die Pilger- und Meditationstage angeboten werden. Sierck, der nach seiner Zeit als Auslandspfarrer in Südafrika lange Jahre im Schuldienst tätig war, bemerkt einen Vertrauensverlust bei vielen Kindern. Familien lösten sich auf, die sozialen Netzwerke böten in ihrer Unverbindlichkeit keinen Ersatz.
"Viele Kinder sind heute innerlich unruhig, weil sie nicht wissen, wo sie zu Hause sind und wie sie in sich selbst ein Zuhause finden können", erklärt der Seelsorger. Seine Idee ist, in St. Martin einen Ort zu schaffen, an dem Kinder einmal pro Woche Ansprache, Gehör und Achtsamkeit finden können - und mit diesem Angebot auch an Kindergärten und Schulen heranzutreten.
Denn dass Meditation auch bei Kindern und Jugendlichen auf fruchtbaren Boden fällt, hat Hanns-Hinrich Sierck schon selbst erlebt. Das Münchner Michaeli-Gymnasium bat den Pfarrer im vergangenen Jahr zu einem Meditationstag mit Zehntklässlern. "Da saßen dann 60 Schüler, die alle ohne Protest ihr Handy abgegeben hatten, mucksmäuschenstill zwei Stunden in der Turnhalle", erinnert er sich.
Sein Tipp für den Schulalltag: meditieren statt disziplinieren. "Wenn die Kinder nach vier Schulstunden einfach unruhig sind, investiere ich gern 15 Minuten in eine Meditationsübung, weil ich danach wieder unterrichten kann", ist seine eigene Erfahrung.
Ein drittes Themenfeld beschäftigt Sierck: die Digitalisierung. Bislang würden deren Angebot nur ge- und benutzt, aber kaum reflektiert. Die "lebensentscheidende Frage" sei aber, so Sierck, wie Menschen - und gerade auch Kinder - sich in der digitalen Welt so bewegen, dass sie gesund bleiben. Deshalb plant das Team für November 2019 eine Diskussionsveranstaltung mit Experten, die sich mit dem Thema Digitalisierung und Spiritualität beschäftigen