Der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel, Bartholomäus I., hatte am Wochenende nach ukrainischen Medienberichten der neuen orthodoxen Kirche der Ukraine die vollständige Eigenständigkeit zuerkannt. Aus russischer Sicht verstößt deren Gründung gegen das Kirchenrecht, weil es in einem bestimmten Land nur eine orthodoxe Kirche geben kann und in der Ukraine eine solche bereits existiert - unter Moskauer Patriarchat. Neben dieser orthodoxen Kirche unter russischem Patriarchat gab es in dem osteuropäischen Land bislang zwei weitere, die sich 1992 beziehungsweise um 1920 abspalteten und in der Orthodoxie allgemein nicht anerkannt wurden. Aus diesen Ablegern hat sich nun die neue Kirche gebildet.
Grundsätzlich sei die Gründung einer orthodoxen Nationalkirche legitim, sagte der Experte Bremer. Unabhängigkeitsbestrebungen habe es schon lange gegeben. "Die ukrainisch-orthodoxe Kirche unter russischem Patriarchat hätte allerdings nicht übergangen werden dürfen." Ob diese Interesse an einer Autokephalie, also der vollständigen Eigenständigkeit, gehabt hätte, sei aber fraglich. "Die ukrainisch-orthodoxe Kirche, die zum Moskauer Patriarchat gehört, war schon immer sehr autonom."
Politischer Einfluss auf die Kirche wird immer deutlicher
Für Poroschenko habe sich die Neugründung kurz vor der Präsidentschaftswahl bereits gelohnt, sagte Bremer: "In Umfragen konnte er deutlich aufholen." Der politische Einfluss aufs religiöse Leben werde derweil immer deutlicher. "Es wurden beispielweise Hausdurchsuchungen bei Priestern angeordnet, die sich der neuen Kirche nicht anschließen wollen."
Weltweit bezeichnen sich Schätzungen zufolge bis zu 300 Millionen von rund zwei Milliarden Christen als orthodox. In Deutschland gibt es etwa eine Million orthodoxe Christen. Das Ökumenische Patriarchat von Konstantinopel mit Sitz im heutigen Istanbul nimmt eine Art Ehrenvorsitz in der Orthodoxie wahr.