Junge Leute sollen in der Evangelischen Kirche im Rheinland mehr Einfluss und Mitspracherechte erhalten. Eine stärkere Beteiligung der Jugend an Entscheidungsprozessen müsse dauerhaft sichergestellt werden, sagte Präses Manfred Rekowski am Freitag zum Auftakt der ersten rheinischen Jugendsynode in Bad Neuenahr. Die bis Sonntag dauernde Tagung, die innerhalb der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) eine Art Vorreiterrolle einnimmt, sei ein erster Versuch, mehr Chancen für die Mitwirkung junger Leute zu schaffen.
Mehr Partizipation in der Kirche
Die Jugendsynode sei nicht bloß ein "Sandkastenspiel" ohne Folgen für das kirchliche Leben, betonte Rekowski: "Das ist eine ordentliche Form der Beteiligung." Die Kirche wolle Erfahrungen sammeln, wie jungen Menschen mehr Partizipation ermöglicht werden könne. Die Ergebnisse der Jugendsynode werden am Sonntag umgehend dem höchsten Organ der rheinischen Landeskirche, der Landessynode, zur Beratung vorgelegt.
Perspektivisch gehe es darum, junge Leute mehr in die Entscheidungsstrukturen der zweitgrößten deutschen Landeskirche einzubinden, sagte Rekowski. Denkbar sind seien etwa weitere Jugendsynoden oder die Einrichtung eines Jugendausschusses auf der Landessynode.
Kirche hat kein Imageproblem, sondern ein Relevanzproblem
Der Gemeindepädagoge Wolfgang Ilg sagte, junge Menschen bewerteten die Kirche positiv. Ihnen fehle aber der Bezug zum eigenen Leben. "Kirche hat nicht in erster Linie ein Imageproblem, sondern ein Relevanzproblem", erklärte der Professor für Jugendarbeit und Gemeindepädagogik an der Evangelischen Hochschule Ludwigsburg.
Ilg präsentierte in Neuenahr eine für die Jugendsynode erstellte Sonderauswertung eines Forschungsprojekts an der Universität Freiburg, das für jede evangelische Landeskirche und katholische Diözese langfristige Projektionen von Kirchenmitgliedschaft und Kirchensteueraufkommen bis 2060 vornimmt. Der Untersuchung zufolge nehme die Kirchenmitgliedschaft eines Konfirmationsjahrgangs in den 25 Jahren nach der Konfirmation um etwa ein Viertel ab, sagte Ilg. Die Kirche müsse fragen, welche positiven Erfahrungen in den Jahren zwischen 14 und 28 fehlten, um der Kirche treu zu bleiben.
Ilg warnte zugleich vor einem zu engen Partizipationsbegriff in der Kirche. Es gehe "nicht um Zugeständnisse des Hirtenkreises an seine Schäfchen". Partizipation bedeute auch, mitentscheiden zu können. "Wenn Partizipation gelingt, bleibt die Kirche nicht wie sie ist", unterstrich der Theologe und Psychologe. Neue engagierte Menschen sorgten automatisch für Veränderungen.
Auch die rheinland-pfälzische Jugendministerin Anne Spiegel (Grüne) warb für mehr und möglichst frühe Beteiligung von Jugendlichen. "Partizipation kann nicht früh genug beginnen", sagte Spiegel. Am besten werde bereits in der Kita angesetzt. Leider sei die Gesellschaft noch zu gehemmt, jungen Menschen viel zuzutrauen. Die Jugendsynode lobte die Ministerin als "grandios": "Ich würde mir viel mehr solcher Runden wünschen", sagte Spiegel.
Gleichberechtigtes Miteinander von Jung und Alt
Fiona Paulus, Vize-Vorsitzende der Evangelischen Jugend im Rheinland und Mitorganisatorin der Jugendsynode, setzt auf ein erfolgreiches und gleichberechtigtes Miteinander von Jung und Alt in dem Gremium. "Ich hoffe auf konkrete Ergebnisse, mit denen etwas Konkretes passiert", sagte sie. "Wir zusammen sind Jugendsynode." Skeptisch äußerte sie sich zu Forderungen nach einer Jugendquote von 20 Prozent in Presbyterien und Kreissynoden. Hier stelle sich die Frage nach der Effektivität, sagte Paulus. Möglicherweise würden dann Plätze in kirchenleitenden Gremien unbesetzt bleiben, weil junge Menschen andere Freizeitaktivitäten dem Engagement im Presbyterium vorziehen oder diese Form der Arbeit sie nicht anspricht.
Die 110 Mitglieder zählende Jugendsynode widmet sich noch bis Sonntag vor allem dem Thema Partizipation von Jugendlichen. Weitere Themen sind Jugend- und Familienarmut, kirchliche Jugendarbeit, neue Gemeindeformen und der Umgang mit Flüchtlingen.