Beide Gruppen seien Minderheiten, sagte der Oberrabbiner von Moskau dem Berliner "Tagesspiegel" (Freitag). "Und wenn jüdische Kinder in der Öffentlichkeit gefahrlos mit einer Kippa auf dem Kopf herumlaufen wollen, ob in Berlin oder Paris, geht das nur ohne Antisemitismus." Entscheidend für ein Europa, in dem zehn bis 15 Prozent Muslime leben, sei nicht, ob Frauen ein Kopftuch tragen oder Männer Frauen die Hand geben. Entscheidend sei, dass Muslime nicht akzeptieren dürfen, dass im Namen ihrer Religion Gewalt gegen Minderheiten und Andersgläubige ausgeübt wird, sagte Goldschmidt: "Da verläuft die rote Linie." Deshalb sei ein solcher Dialog für Europas Zukunft "äußerst notwendig".
Der heutige Antisemitismus sei durch den israelisch-palästinensischen Konflikt verstärkt worden, sagte Goldschmidt. Aber auch die Geschichte spiele eine Rolle. "Wenn wir uns mit christlichen Würdenträgern treffen, diskutieren wir manchmal immer noch darüber, was vor 2.000 Jahren geschehen ist. Mit muslimischen Geistlichen reden wir über die vergangenen 80 Jahre."
Der orthodoxe Rabbiner warnt zudem vor den Rechtsextremen und Rechtspopulisten in Europa. Durch sie sei der öffentliche Diskurs viel extremer geworden als früher. Ressentiments, Hass und Falschinformationen könnten ungehindert über soziale Medien verbreitet werden. Menschen am Rande der Gesellschaft, das habe sich bei dem Anschlag auf eine Synagoge in Pittsburgh gezeigt, könnten radikalisiert werden.
Goldschmidt betonte, in vielen europäischen Ländern versuchten extrem rechte Parteien, jüdische Gemeinden zu erobern - "aber nicht, weil sie Juden mögen, sondern weil sie sich davon einen Koscherstempel für ihre Ideologien erhoffen". "Sie wollen als salonfähig erscheinen", erklärte der Oberrabbiner.