Der ehemalige Bundesverfassungsrichter Udo di Fabio fordert eine klare Entscheidung des Gesetzgebers zur Frage des assistierten Suizids. Aktuell sei unklar, wie Grenzfälle von Menschen in sogenannten existenziellen Notlagen behandelt werden müssten, sagte di Fabio am Mittwochabend in Hannover bei einer Veranstaltung der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin.
Nach bisheriger Gesetzgebung ist geschäftsmäßige Beihilfe zur Selbsttötung strafbar. In einem kontroversen Urteil habe 2017 das Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig jedoch Ausnahmen erlaubt, sagte di Fabio. Dabei ging es um eine Frau, die vom Hals an abwärts gelähmt war und künstlich ernährt werden musste. Wegen starker Schmerzen hatte sie den Wunsch, ein todbringendes Medikament verabreicht zu bekommen. Sie nahm sich 2005 schließlich mit Hilfe einer Sterbehilfe-Organisation in der Schweiz das Leben. Ihr Ehemann führte dennoch das Rechtsverfahren fort.
Di Fabio sagte, in einem Gutachten im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums sei er zu dem Schluss gelangt, dass das Leipziger Urteil verfassungsrechtlich nicht haltbar sei. Der Jura-Professor argumentierte unter anderem, der Fall dürfe nicht zum Präzedenzfall werden. Die Rechtsfolgen des Urteils seien bislang nicht umgesetzt worden. Nach seiner zwölfjährigen Amtszeit als Bundesverfassungsrichter lehrt di Fabio zurzeit als Universitätsprofessor in Bonn.