Gesellschaftliche Veränderungen hätten ohnehin die Frage aufgeworfen, ob Arbeitgeber eine Kirchen-Mitgliedschaft "in einer zunehmend multireligiösen und multikulturellen Gesellschaft noch verlangen können", sagte Sprecher Christian Könemann. Das BAG-Urteil sei eine Chance, genau zu überlegen, welche Tätigkeiten wirklich die Mitgliedschaft in einer christlichen Kirche verlangen, sagte er weiter. Diakonische Einrichtungen müssten nun ihre eigene Praxis überdenken. Die gelebte Realität in Deutschland sei bei dem Thema je nach Region sehr unterschiedlich.
Die Kaiserswerther Diakonie in Düsseldorf erklärte, bei Einstellungen werde bereits eine differenzierte Praxis angewandt, die sich an der offiziellen Richtlinie der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) orientiere. Wenn in Stellenanzeigen eine Kirchenzugehörigkeit gefordert sei, werde diese immer auch begründet. "An vielen Stellen muss man auf den Einzelfall schauen", sagte eine Sprecherin. So sei eine Kirchenmitgliedschaft etwa für die Pflege auf der Palliativstation wichtig, weil Mitarbeiter dort oft mit religiösen Themen konfrontiert würden. Bei einer OP-Schwester in der Orthopädie sei das hingegen nicht unbedingt der Fall.
Die Diakonie in Niedersachsen äußerte sich kritisch zu dem BAG-Urteil: "Um der Glaubwürdigkeit des Dienstes in der Diakonie willen ist es uns wichtig, dass sich unsere Mitarbeitenden mit dem christlichen Glauben identifizieren und dies grundsätzlich auch durch ihre Kirchenmitgliedschaft zum Ausdruck bringen", sagte der juristische Vorstand Jens Lehmann dem epd. Deshalb teile die Diakonie nicht die Auffassung des Gerichts, dass die Religionszugehörigkeit keine Rolle spiele, wenn der Mitarbeiter nur nach Anweisung des Arbeitgebers in Fragen des Ethos und des Selbstverständnisses der Kirche handeln könne.
Das Urteil erging am Donnerstag, nachdem die Berlinerin Vera Egenberger wegen Diskriminierung aus religiösen Gründen geklagt hatte. Die Diakonie muss ihr eine Entschädigung von knapp 4.000 Euro zahlen. Das Bundesarbeitsgericht hatte Zweifel, dass die Benachteiligung aufgrund fehlender Kirchenmitgliedschaft im konkreten Fall gerechtfertigt gewesen sei, hieß es zur Begründung. Egenberger hatte sich 2012 erfolglos um eine Referentenstelle beim Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung beworben.